Antrag auf Optionsverschonung auch nach Ergehen eines Änderungsbescheids möglich – innerhalb des Änderungsrahmens

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Mit Urteil vom 11.12.2024, II R 44/21, hat der BFH eine wichtige Klarstellung getroffen:

Die Optionsverschonung gem. § 13a Abs. 10 ErbStG (Verschonungsabschlag von 100% auf das begünstigte Vermögen, wenn die Verwaltungsvermögensquote nicht über 20% liegt) kann auch noch im Rahmen eines Einspruchsverfahrens gegen einen Änderungssteuerbescheid (ErbSt oder SchenkSt) beantragt werden!

Dabei ist allerdings § 351 Abs. 1 AO zu beachten: Die bisher festgesetzte Steuer kann als Untergrenze nicht unterschritten werden.

Das ist in der Praxis beim Erwerb von begünstigtem Vermögen gem. §§ 13a, 13b ErbStG trotzdem extrem hilfreich, weil

  • der Steuerbescheid (ErbSt oder SchenkSt) meist sehr schnell nach Abgabe der Steuererklärung ergeht und
  • die gesonderte Feststellung gem. § 151 Abs. 1 BewG für
    • das übertragene Betriebsvermögen,
    • den Anteil am Betriebsvermögen (bei Personengesellschaften),
    • den Anteil an Kapitalgesellschaften und
    • zu bewertende Grundstücke

erst deutlich (ggf. Jahre) später erlassen werden.

Nach Bekanntgabe des Steuerbescheids kann es sein, dass

  • aufgrund der bisher angenommenen Werte auch bei Anwendung der Regelverschonung (Steuerbefreiung: 85% Verschonungsabschlag + abschmelzender Abzugsbetrag) kein steuerpflichtiges Vermögen berechnet wird oder

  • die Verwaltungsvermögensquote gem. § 13a Abs. 10 Satz 2 ErbStG mit mehr als 20% berechnet wird (ein niedriger Wert des begünstigungsfähigen Vermögens führt zu einer höheren Quote als ein höherer Wert des begünstigungsfähigen Vermögens).

In diesen Fällen ist ein Antrag auf Anwendung der Optionsverschonung nicht sinnvoll bzw. sogar ggf. brandgefährlich, nämlich wenn sich herausstellt, dass die Voraussetzungen des
§ 13a Abs. 10 Satz 2 ErbStG (Verwaltungsvermögensquote nicht über 20%) nicht vorliegen:

Denn in diesem Fall soll nach BFH-Urteil vom 26.07.2022, II R 25/20, BStBl 2024 II S. 21, die Regelverschonung nicht zu gewähren sein (sog. Optionsfalle)! Ob dies zutreffend ist (oder im Zweifel doch die Regelverschonung Anwendung findet), ist Gegenstand des anhängigen Revisionsverfahrens II R 19/23 beim BFH.

Durch die aktuelle Entscheidung zeigt sich, dass zumindest eine Steuererhöhung (regelmäßig aufgrund der Auswertung der Grundlagenbescheide durch Änderung des Steuerbescheids gem. § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO) durch die nachträgliche Beantragung der Optionsverschonung verhindert werden kann!

Beispiel:

Onkel O schenkt seinem Neffen N in 2020 sein gewerbliches Einzelunternehmen. Es wird von einem Wert des Betriebsvermögens von 1,1 Mio. ausgegangen, das Verwaltungsvermögen wird mit 250.000 EUR angenommen. Entsprechende Beträge werden erklärt und vom FA der Steuerfestsetzung zugrunde gelegt.

Das begünstigte Vermögen beträgt 935.000 EUR, damit ergibt sich eine Verwaltungsvermögensquote gem. § 13a Abs. 10 Satz 2 ErbStG von 22,73%. Ein Antrag nach § 13a Abs. 10 ErbStG wird daher nicht gestellt.

Der Wert des steuerpflichtigen Vermögens wird vom FA mit 165.000 EUR angenommen. Da dieser Betrag den persönlichen Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG (20.000 EUR) überschreitet, ergibt sich ein steuerpflichtiger Erwerb von 145.000 EUR und eine Steuer von 29.000 EUR.

In 2025 wird der Wert des Betriebsvermögens mit 2 Mio. gesondert festgestellt (§ 151 Abs. 1 Nr. 2 BewG).

Das FA ändert daher den Steuerbescheid gem. § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO, das steuerpflichtige Vermögen bei Anwendung der Regelverschonung erhöht sich auf 283.125 EUR, der steuerpflichtige Erwerb auf 263.100 EUR (Abrundung auf volle 100 EUR!). Die tarifliche Steuer gem. § 19 Abs. 1 ErbStG beträgt 52.620 EUR.

(es ergibt sich noch eine Ermäßigung gem. § 19a ErbStG, auf deren Darstellung aber aus Vereinfachungsgründen verzichtet wird)

Im Rahmen eines Einspruchsverfahrens gegen den Steueränderungsbescheid kann nach der BFH-Entscheidung vom 11.12.2024 die Optionsverschonung nachträglich beantragt werden. Die Voraussetzungen gem. § 13a Abs. 10 ErbStG liegen nun vor, da die Verwaltungsvermögensquote aufgrund des höheren Werts des Betriebsvermögens nur noch 12,50% beträgt.

Im Rahmen der Optionsverschonung ergibt sich ein steuerpflichtiges Betriebsvermögen von 75.000 EUR und nach Abzug des persönlichen Freibetrags ein steuerpflichtiger Erwerb von 55.000 EUR. Dieser liegt zwar noch unter dem ursprünglich angenommenen steuerpflichtigen Erwerb von 145.000 EUR.

Eine niedrigere Steuerfestsetzung scheitert allerdings an § 351 Abs. 1 AO, da die bisher festgesetzte Steuer von 29.000 EUR als Untergrenze im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen den Steueränderungsbescheid nicht unterschritten werden kann.

Das Einspruchsverfahren führt daher „nur“ zu einer Verhinderung der Nachzahlung und zur Festsetzung der ursprünglichen Steuer von 29.000 EUR.

  • Das Beispiel zeigt, dass durch den nachträglichen Antrag zwar weiterer Schaden verhindert werden kann. Es kann aber nicht die Steuerbelastung erreicht werden, die sich ergeben hätte, wenn die Optionsverschonung von vornherein betragt worden wäre.
    Und das wiederum ist nicht passiert, weil man aufgrund offenbar vorhandener Bewertungsschwierigkeiten ursprünglich davon ausgegangen war, dass der Antrag ins Leere laufen und sogar die Regelverschonung „zerschießen“ würde.
  • gegenwärtig ist also weiterhin zu empfehlen, den ursprünglichen Steuerbescheid solange offen zu halten, bis alle Grundlagenbescheid bekannt gegeben wurden.

Autor: Thore Guse

Foto: Glenn Carstens Peters via Unsplash