Bauleistungen erneut auf dem Prüfstand: findet die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 14 AO bei „Altfällen“ Anwendung?

Der BFH hat sich in zwei Entscheidungen vom 16.12.2021 (V R 3/20) sowie 23.12.2021 (V R 27/20) mit der Ablaufhemmung von Umsatzsteuerbescheiden beim Bauleistenden in sog. Bauträgerfällen beschäftigt.

In den streitgegenständlichen Urteilen zu den sog. „Altfällen“ wurden Bauleistungen an Bauträger erbracht. Die Parteien behandelten die Umsätze nach der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG (Reverse Charge). Die Umsätze waren bei der Bauleistenden daher nicht in den Umsatzsteuerjahreserklärungen enthalten (unter anderem das Streitjahr 2011), welche im Jahre 2012 eingereicht wurde.

Aufgrund des BFH Urteils vom 22.08.2013, V R 37/10, ging die Finanzverwaltung davon aus, dass der Bauleistende Steuerschuldner der ausgeführten Bauleistungen ist. Da der Bauträger die Erstattung der entrichteten Umsatzsteuer beantragte, wurde der Bauleistende gebeten, berichtigte Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre einzureichen. Nachdem sich der Bauleistende auf die Festsetzungsverjährung berief, änderte das Finanzamt gemäß § 27 Abs. 19 S. 1 UStG den Umsatzsteuerbescheid. Dabei begründete das Finanzamt seine Ansicht damit, dass eine Festsetzungsverjährung nicht vorliege, da die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 14 AO eingreift. Der Bauträger erhielt die Erstattung der Umsatzsteuer durch Bescheid aus dem Jahr 2019.

Der BFH entschied, dass die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 14 AO keine Anwendung findet, sodass die reguläre Festsetzungsfrist mit Ablauf des 31.12.2016 endete und somit eine Änderung des Steuerbescheids der Bauleistenden nicht mehr in Betracht kommt. Die Voraussetzungen für eine Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 14 AO, wonach die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch nicht endet, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO noch nicht verjährt ist (§ 228 AO), liegen nämlich nicht vor.

§ 171 Abs. 14 AO findet nur dann Anwendung, wenn neben dem Vorliegen eines mit dem Steueranspruch zusammenhängenden Erstattungsanspruchs dieser bereits vor Ablauf der Festsetzungsfrist entstanden ist. Der Erstattungsanspruch i. S. des § 37 Abs. 2 AO setzt u.a. voraus, dass eine Steuer oder steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt worden ist oder der rechtliche Grund für die Zahlung später wegfällt. Für die Frage, ob ein Rechtsgrund für eine Steuerzahlung besteht, ist § 171 Abs. 14 AO nach der formellen Rechtsgrundtheorie auszulegen. Maßgeblich ist demnach, dass es für die Zahlung des Steuerpflichtigen an einem formalen Rechtsgrund in Gestalt eines wirksamen Steuerbescheids fehlen muss.

Der Umsatzsteuererstattungsanspruch des Bauträgers entstand erst mit Festsetzung des entsprechenden Erstattungsanspruchs, demnach also im Jahre 2019. Zu diesem Zeitpunkt war allerdings bereits Festsetzungsverjährung eingetreten (mit Ablauf des 31.12.2016). Nicht maßgebend ist demnach, wann der Bauträger die Erstattung der Umsatzsteuerschuld tatsächlich beantragte. Im Ergebnis war der Anwendungsbereich des § 171 Abs. 14 AO demnach nicht eröffnet.

Autor: Jan Reiter