Behandlung aufschiebend bedingter Lasten
Es gibt Themen, die gewinnen nie einen Beliebtheitspreis… Eins davon ist sicher die Behandlung aufschiebend oder auflösend bedingter Erwerbe und Lasten. Geregelt in den §§ 4 – 8 BewG ist es ein scheinbarer undurchschaubarer Bereich – der aber nicht vernachlässigt werden sollte.
Aktuell ist hier „Musik drin“ weil die Finanzverwaltung mit Ländererlassen vom 04.01.2023 (BStBl 2023 I S. 172) auf ein Urteil des BFH vom 15.07.2021 (II R 26/19) reagiert hat. Und -wen wundert es?- faktisch mit einem Nichtanwendungserlass belegt, weil die „mandantenfreundliche“ Rechtsprechung des BFH offenbar zu weit geht.
Worum geht es überhaupt?
Der Urteilsfall wird im Ländererlass (LE) als Beispiel 1 verarbeitet. A (Vater) schenkte 2010 der B (Tochter) einen Kommanditanteil, behält sich aber das lebenslange Nießbrauchsrecht daran vor.
Für den Fall seines Todes verpflichtet A die B, der C (Ehefrau des A, Mutter der B) eine lebendlange Rente (monatlich 4.000 EUR) zu zahlen. A stirbt 12 Jahre später (2022).
Der Kapitalwert der Rente ist
- bei der ursprünglichen Festsetzung der Steuer für die in 2010 erfolgte Schenkung von A an B nicht bereicherungsmindernd zu berücksichtigen (§ 6 Abs. 1 BewG, kein Abzug aufschiebend bedingter Lasten)
- als Erwerb bei C erst in 2022 zu berücksichtigen (§ 4 BewG, Berücksichtigung des Erwerbs erst mit Bedingungseintritt)
- bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für den in 2010 erfolgten Erwerb durch B (Schenkung Kommanditanteil von A) erst mit Bedingungseintritt in 2022 rückwirkend zu berücksichtigen (§ 6 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 BewG, rückwirkendes Ereignis gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO).
Die Frage war nun, mit welchem Betrag der Kapitalwert der Rente jeweils zu berücksichtigen ist!
So sieht es der BFH:
Die Rente ist auf den Todestag des A (2022) zu bewerten, da der Anspruch zu diesem Zeitpunkt durch Bedingungseintritt erstmalig entsteht. Die Bewertung nach § 14 Abs. 1 BewG erfolgt anhand er in 2022 maßgeblichen „Sterbetafel“ und dem vollendeten Lebensalter der C (Ehefrau/Mutter) in 2022.
Nehmen wir an, dieser Kapitalwert beträgt 500.000 EUR.
Diesen Wert legt der BFH sowohl beim Erwerb der C als Vermögensanfall als auch als (rückwirkende, zusätzliche) Bereicherungsminderung beim Erwerb der B (in 2010) zugrunde.
Saldiert ergibt sich ein Betrag von 0 EUR, da Vermögensanfall bei C und Bereicherungsminderung bei B sich betragsmäßig entsprechen.
So sieht es (leider) die FinVerw:
In Bezug auf den ersten Schritt entspricht die FinVerw dem BFH und bewertet die Rentenforderung auf den Zeitpunkt des Bedingungseintritts und legt entsprechend dem Erwerb der C einen Vermögensanfall von 500.000 EUR zugrunde.
Hinsichtlich der rückwirkenden bereicherungsmindernden Berücksichtigung der Last beim Erwerb der B verlässt die FinVerw allerdings der Mut – und sie weicht entscheidend von der Beurteilung durch den BFH ab: Anders als das Gericht nimmt die FinVerw eine Abzinsung des auf den Stichtag in 2022 ermittelten Betrags von 500.000 EUR auf den ursprünglichen Schenkungszeitpunkt in 2012 vor! Die Bereicherungsminderung beträgt daher nur noch (500.000 EUR x 0,526 =) 263.000 EUR.
Vergleich
Die Gesamtbetrachtung durch den BFH ist neutral, bei der Beurteilung durch die FinVerw übersteigt der Vermögensanfall beim einen Erwerb die Bereicherungsminderung beim anderen Erwerb um 237.000 EUR! Die FinVerw hält anders als der BFH eine Abzinsung für die Zeit zwischen Schenkung und Bedingungseintritt für sachlich richtig und damit zwingend.
Fazit
Der Ländererlass versetzt Sie in entsprechenden Fällen ist die Pflicht, die deutlich günstigere Auffassung des BFH vor dem zuständigen Finanzgericht einzuklagen. Das Finanzgericht wird sich dabei naturgemäß der Auffassung des BFH anschließen, sie also die Klage (die grundsätzlich als Sprungklage geführt werden sollte, weil das Einspruchsverfahren nicht erfolgversprechend ist: Das Finanzamt ist an den Ländererlass gebunden) gewinnen.
Auch wenn die aufschiebenden Bedingungen eher kompliziert sind, sind sie in der Praxis nicht unüblich! Achten Sie also darauf, sich vom Finanzamt nicht ins Boxhorn jagen zu lassen. Bei Bedarf unterstützen wir Sie natürlich gern.
Autor: Thore Guse