Bewertung eines GmbH-Anteils mit stark disquotal ausgestalteten Rechten

Bei Wirtschaftsgütern, die nicht unmittelbar vor ihrer Zuwendung einem Betriebsvermögen entnommen worden sind, bestimmte sich die Höhe der Zuwendung im Streitjahr nach dem gemeinen Wert des zugewendeten Wirtschaftsguts (§ 10b Abs. 3 Satz 3 EStG a.F.). Erst mit Wirkung ab 2009 wurde § 10b Abs. 3 EStG dahingehend geändert, dass bei der Zuwendung eines Wirtschaftsguts bei der Ermittlung der Zuwendungshöhe die fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten ohne Herbeiführung einer Gewinnrealisierung nicht überschritten werden dürfen. Der BFH musste im Zusammen mit der alten, bis 2007 geltenden Rechtslage entscheiden, wie ein GmbH-Anteil zu bewerten ist, wenn dieser mit stark disquotal ausgestalteten Rechten versehen ist.

Bleiben die Gewinnbezugs- und Stimmrechte, mit denen ein Anteil an einer Kapitalgesellschaft ausgestattet ist, erheblich hinter dem Anteil am Nominalkapital zurück, ist dies nach Auffassung des BFH bei der Ermittlung des gemeinen Werts des Anteils regelmäßig wertmindernd zu berücksichtigen. Dies gelte jedenfalls, sofern die Liquidation der Gesellschaft nicht konkret absehbar sei.

Der Steuerpflichtige, der für eine Sachzuwendung einen höheren Wertansatz als den vom FA für zutreffend gehaltenen begehrt, trage hierfür die Feststellungslast. Das FA trage dagegen die Feststellungslast für die tatsächlichen Umstände, die zu einem Wegfall des Schutzes des Vertrauens in die Richtigkeit der Zuwendungsbestätigung führe.

Hinweise

Die Entscheidung befasst sich insbesondere mit der Bewertung von Anteilen, die mit „schwächeren“ Rechten ausgestaltet sind. Die Bewertung von nicht an der Börse notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften richtet sich auch für ertragsteuerrechtliche Zwecke nach § 11 BewG. Der Wert ist grundsätzlich nach §§ 199 ff. BewG (vereinfachtes Ertragswertverfahren) zu ermitteln.

Disquotal ausgestaltete Beteiligungsrechte sind Umstände, die den Preis von Anteilen beeinflussen und nach § 9 Abs. 2 Satz 2 BewG bei der Ermittlung des gemeinen Werts zu berücksichtigen sind. Bei besonders stark disquotal ausgestalteten Beteiligungsrechten bestimmt sich der Wert nach wohl überwiegender Meinung nicht nach der Beteiligung am Stammkapital, sondern nach dem Gewinnverteilungsschlüssel sowie dem Umfang des Stimmrechts (z. B. Fuhrmann in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 24 Einbringung von Betriebsvermögen in eine Personengesellschaft, Rn. 694).

Der BFH hat eine disquotale Ausgestaltung als wesentliche preisbeeinflussende Umstände (§ 9 Abs. 2 Satz 2 BewG) angesehen und deshalb bei der Bewertung für berücksichtigungsfähig erklärt. Besondere Regelungen für den Fall der Liquidation berücksichtigte der BFH schon deshalb nicht, weil eine solche zum Zeitpunkt der Bewertung nicht absehbar war.

BFH-Urteil vom 16.11.2022, X R 17/20

Autor: Prof. Dr. Alexander Kratzsch