Die USt und das Aufteilungsgebot: Hotels, Gaststätten und Zahnärzte

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Die Frage, ob ein gesetzliches „Aufteilungsgebot“ hinsichtlich einer einheitlichen Leistung eine Aufsplittung bewirken kann mit der Folge, dass

  • entweder die Leistung teils steuerfrei und teils steuerpflichtig
  • oder teils ermäßigt und teils voll zu besteuern

ist, beschäftigt seit einigen Jahren den BFH und EuGH. Zuletzt hatte der BFH am 17.08.2023 zu § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG in Bezug auf Betriebsvorrichtungen entschieden (siehe Blogbeitrag), dass eine Aufteilung nicht möglich sei.

Wie geht es hier weiter für Hotels, Gaststätten und Zahnärzte?

Die nächste Station auf dieser Reise der Erkenntnis wird die BFH-Entscheidung zur Frage des Aufteilungsgebots für die Hotels gem. § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG (nach Gesetz: Ermäßigter Steuersatz nur für den „Beherbergungsanteil“, Regelsteuersatz für den Rest des Entgelts) in den Revisionsverfahren XI R 11/23, XI R 12/23 und XI R 13/23 werden!

Auch die Gaststätten sind mit § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG (Anwendung für die Zeit vom 01.07.2020 bis 31.12.2023, keine Verlängerung in 2024 geplant!) ebenfalls an Bord: Denn auch hier gebietet (nach bisheriger Auffassung) das Gesetz die Anwendung von zwei Steuersätzen auf einen grundsätzlich einheitlichen Restaurationsumsatz. Sollte der BFH bei den Hotels zu § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG gegen eine Aufteilung und für die Anwendung eines einheitlichen Steuersatzes entscheiden, spricht vieles dafür, dass diese Überlegungen auf die Gastronomie mit § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG zu übertragen sein könnten. Insoweit ist aber (erkennbar) noch kein Revisionsverfahren beim BFH anhängig.

Trotzdem lohnt es sich aus unserer Sicht, entsprechende Fälle (durch Rechtsbehelfe) offen zu halten! Insbesondere dann, wenn man sich zusätzlich die Argumentation des EuGH im Urteil vom 08.12.2022, C-378/21 zu eigen macht:

Danach führt der Steuerausweis in einer (Kleinbetrags-)Rechnung mit (anteilig) 19 % gegenüber einem Nichtunternehmer nicht zu einem unrichtigen Steuerausweis gem. § 14c Abs. 1 UStG. Sollte der Gastronomieunternehmer mit seinem Restaurationsumsatz einheitlich unter den ermäßigten Steuersatz fallen, würde ein bisher mit anteilig 19 % gesondert ausgewiesener USt-Betrag den Vorteil nicht sofort wieder „auffressen“, es würde sich vielmehr eine echte „Steuerminderung“ (= höhere Marge) ergeben!

Beispiel

Gastronom berechnet für die Bewirtung in 2023

  • 50 EUR zzgl. 19 % = 59,50 EUR für Getränke und
  • 100 EUR zzgl. 7 % = 107 EUR für Speisen.

Der Gesamtbetrag von 168,50 EUR wird (einschließlich der USt von gesamt 16,50 EUR) in einer ordnungsgemäßen Kleinbetragsrechnung gegenüber dem nicht-unternehmerischen Leistungsempfänger ausgewiesen. Dieser meldet zunächst auch 16,50 EUR im Rahmen der Voranmeldung an und führt den Betrag an das Finanzamt ab.

Wie ändert sich die Beurteilung, wenn man davon ausgeht, dass § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG (wie § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG) kein zulässiges Aufteilungsgebot enthält?

Im Bruttogesamtbetrag von 168,50 EUR ist USt mit dem ermäßigten Steuersatz von 168,50 EUR x 7/107 = 11,02 EUR enthalten. Da weiter anzunehmen ist, dass kein Fall des § 14c Abs. 1 UStG hinsichtlich des ausgewiesenen Mehrbetrags von (16,50 EUR – 11,02 EUR =) 5,48 EUR vorliegt, ist die ursprüngliche Steueranmeldung/-festsetzung zu berichtigen/ändern. Beim Finanzamt ist für bereits erfolgte Festsetzungen ein Änderungsantrag gem. § 164 Abs. 2 AO zu stellen, ansonsten sind berichtigte Voranmeldungen abzugeben.

Im Beispiel ergibt sich eine Steuererstattung von 5,48 EUR in Bezug auf einen Bruttoumsatz von 168,50 EUR, was einem Anteil von 3,25 % entspricht. Im Einzelfall hängt die Höhe der Erstattung natürlich vom Anteil der Getränke ab.

Auch wenn nicht sicher ist, wie der BFH am Ende zu § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG entscheiden wird, sollten entsprechende Fälle durch Rechtsbehelfe überprüft und offen gehalten werden.

Und was könnte die nächste (letzte?) Station werden?

Nach § 4 Nr. 14 Buchstabe a Satz 2 UStG sollen Zahnärzte, wenn sie sich wie Zahntechniker verhalten, auch wie diese besteuert werden. Die Vorschrift ordnet daher an, dass der Zahnarzt im Rahmen seiner heilbehandelnden Leistung nicht steuerfrei gestellt wird, wenn er eine z. B. im eigenen Unternehmen hergestellte Zahnprothese liefert. Von Bedeutung ist dies für Zahnärzte mit eigenem „Dentallabor“, das praktisch im Wesentlichen aus einem sog. CEREC-Gerät besteht. Die Zahnprothesen sind insbesondere die gebräuchlichen Inlays (Füllungen) oder Onlays (3/4-Kronen). Vgl. insgesamt Abschn. 4.14.3 UStAE.

Soweit der Umsatz steuerpflichtig ist, findet der ermäßigte Steuersatz gem. § 12 Abs. 2 Nr. 6 UStG Anwendung.

Auch hier ist fraglich, ob das bisher stets angenommene Aufteilungsgebot des § 4 Nr. 14 Buchstabe a Satz 2 UStG noch mit der neueren Rechtsprechung des BFH und EuGH vereinbar ist. Allerdings kommt die partielle Steuerbefreiung den Zahnärzten zumindest bei der Anschaffung der CEREC-Geräte durchaus zupass, berechtigt sie doch zum Vorsteuerabzug (der auf die Lieferung des Geräts entfallenden USt zu 19%) und damit zur Erleichterung der Finanzierung. Durch die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die Ausgangsumsätze ist der „Negativeffekt“ der anschließenden Besteuerung auch abgemildert.

Kann hier die Finanzverwaltung auf den Zug aufspringen und ihrerseits gegen ein Aufteilungsgebot argumentieren, um dem Zahnarzt den Vorsteuerabzug zu versagen?

Dem stehen natürlich die klaren Aussagen in Abschn. 4.14.3 UStAE entgegen und damit die Selbstbindung der Verwaltung sowie zu guter Letzt § 176 AO:

„(1) Bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids darf nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass

Nr. 3:

sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofes des Bundes geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden ist.

(2) Bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids darf nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung, einer obersten Bundes- oder Landesbehörde von einem obersten Gerichtshof des Bundes als nicht mit dem geltenden Recht in Einklang stehend bezeichnet worden ist.“

Von dieser Seite haben Zahnärzte also zumindest kurzfristig keine negativen Änderungen zu erwarten.

Sollte der Zahnarzt sich hingegen auf eine vollständige Steuerbefreiung seiner Umsätze trotz der Verwendung selbst hergestellter Zahnprothesen berufen wollen, erscheint dies genauso möglich wie für die Gastronomie mit § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG. Sollten aber insbesondere die Krankenversicherungen als Leistungsempfänger dann lediglich einen (um die bisher berechnete USt) gemindert Betrag vergüten, wäre diese Argumentation nicht im Sinne des Unternehmers. Dieser würde bei vollständiger Steuerbefreiung der Ausgangsumsätze nur den Vorsteuerabzug auf den laufenden Materialeinkauf für die Herstellung der Zahnprothesen verlieren und bei noch laufenden Berichtigungszeiträumen gem. § 15a UStG aufgrund der Anschaffung von CEREC-Geräten etc. eine Berichtigung des Vorsteuerabzug vornehmen müssen.

Für die Zahnärzte spricht daher vieles dafür, die aktuellen Turbulenzen rund um das Thema Aufteilungsgebot unbeachtet zu lassen. Solange die Finanzverwaltung ihre Rechtsauffassung nicht ändert, ist auch keine Gefahr eines unrichtigen Steuerausweises gem. § 14c Abs. 1 UStG durch die Abrechnung gegenüber der Krankenversicherung/-kasse gegeben.

Auch Vermieter, die bisher davon ausgehen dürfen, dass für die Räume, die der mietende Zahnarzt ausschließlich als „Dentallabor“ und damit für seine steuerpflichtige Tätigkeit verwendet, können entsprechend der Auffassung der Finanzverwaltung weiterhin gem. § 9 Abs. 1 und 2 UStG auf die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze gem. § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchstabe a UStG verzichten. Langfristig ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass diese Optionsmöglichkeit entfällt (sollte einst der BFH das Aufteilungsgebot gem. § 4 Nr. 14 Buchstabe a Satz 2 UStG für unzulässig erachten).

Autor: Thore Guse