Entstehung und verfahrensrechtliche Berücksichtigung eines Einbringungsgewinnes II

Der BFH (BFH 18.11.2020 – I R 25/18) entschied darüber,

  • ob ein Formwechsel der übernehmenden Kapitalgesellschaft innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist in eine Personengesellschaft zu einer Veräußerung des eingebrachten Anteils i.S. des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 führt und
  • wann die Voraussetzungen für eine Änderung des Steuerbescheides für den Einbringenden vorliegen.

Sachverhalt und Entscheidung

Die Klägerin, eine natürliche Person, war Alleingesellschafterin der A-GmbH. Herr C war alleiniger Gesellschafter einer spanischen Kapitalgesellschaft (D-SLU). Im September 2007 brachten die Klägerin und Herr C jeweils ihre Beteiligungen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in die E-GmbH ein. Die Einbringung der Anteile erfolgte steuerlich unter den Voraussetzungen des § 21 UmwStG unter dem gemeinen Wert (qualifizierter Anteilstausch). Dies löste die siebenjährige Sperrfrist i. S. d. § 22 Abs. 2 UmwStG aus. Im August 2008 wurde die E-GmbH gem. § 190 UmwG in eine nach § 15 Abs. 2 EStG gewerblich tätige OHG (E-OHG) formgewechselt. Der Formwechsel erfolgte nach § 9 i. V. mit §§ 3 ff. UmwStG steuerneutral zu Buchwerten.
Nach einer steuerlichen Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, der Formwechsel stelle als schädliche Veräußerung der eingebrachten Anteile einen Sperrfristverstoß dar und führe mithin nach § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG zu einer rückwirkenden Besteuerung des Einbringungsgewinns II. Daraufhin erließ das Finanzamt einen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid 2007. Das FG ging davon aus, dass der Formwechsel der B GmbH in die B OHG eine den Einbringungsgewinn II auslösende Veräußerung i. S. d. § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 darstelle und das FA verfahrensrechtlich ermächtigt gewesen sei, den Einkommensteuerbescheid für 2007 vom 16.04.2010 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern.

Die Revision war erfolgreich und führte zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG. Das FG hat nach Auffassung des BFH rechtsfehlerhaft angenommen, dass der gegenüber der Klägerin ergangene bestandskräftige Einkommensteuerbescheid 2007 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändert werden durfte, um einen Einbringungsgewinn II zu erfassen. Ob die Änderung dieses Bescheids auf der Grundlage einer anderen Korrekturnorm zulässig ist, kann der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht entscheiden.
Die Korrektur eines bereits bestandskräftig gewordenen Steuerbescheids zur Erfassung eines durch die Veräußerung ausgelösten Einbringungsgewinns II gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO setze aber des Weiteren voraus, dass der Veräußerungstatbestand – anders als hier – nach Erlass des zu ändernden Bescheids verwirklicht worden ist. Die umwandlungssteuerrechtlichen Regelungen fingieren nach Ansicht des BFH lediglich, dass die Veräußerung der erhaltenen Anteile ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO darstellt. Sie entbinden dagegen nicht von der Prüfung der weiteren Voraussetzungen dieser Korrekturnorm.

Erläuterungen

Schon vor der Besprechungsentscheidung war geklärt, dass ein Formwechsel ebenfalls zu einer Sperrfristverletzung führt.

Eine teleologische Reduktion des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 verneinte der BFH. Mit § 22 Abs. 2 UmwStG will der Gesetzgeber sicherstellen, dass die im Zeitpunkt der Umwandlung / des Anteilstausches vorhandenen stillen Reserven steuerverhaftet bleiben. Wenn es zu einem interpersonellen Transfer von stillen Reserven kommt, ist nach Auffassung des BFH eine teleologische Einschränkung von § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG ausgeschlossen. Anders könnte dies bei Einpersonengesellschaften sein.

Der BFH entschied allerdings, dass trotz Vorliegen einer Sperrfristverletzung die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen einer Berichtigungsnorm (z. B. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO) tatsächlich vorliegen müssen, damit eine Berichtigung zulässig ist.

Autor: Prof. Alexander Kratzsch