EuGH gegen BMF: Vorsteuer-Direktanspruch auch bei Einrede der Verjährung
EuGH gegen BMF: Vorsteuer-Direktanspruch auch bei Einrede der Verjährung
„Ich und mein Holz“ mag sich der Kläger (Herr Schütte) gedacht haben. Er kaufte Holz von Lieferanten, um dieses anschließend als Brennholz weiterzuverkaufen. Dem Grunde nach ein jahrhundertealtes Geschäft, doch welcher Steuersatz war (Streitjahre 2011 bis 2013) auf die Holzlieferungen anzuwenden?
Die Lieferanten hatten sich für 19 % entschieden, Herr Schütte für 7 %. Das Finanzamt wollte 19 %, das Finanzgericht Münster urteilte auf 7 %!
Am Ende dieser Entscheidungsfindung vertrat das Finanzamt die (zunächst) folgerichtige Auffassung, dass die Lieferanten in ihren Rechnungen einen Mehrbetrag unrichtig i. S. v. § 14c Abs. 1 UStG ausgewiesen hatten – und folglich Herrn Schütte insoweit kein Vorsteuerabzug zustehen würde.
Daraufhin versuchte Herr Schütte den von ihm an die Lieferanten zu viel gezahlten Mehrbetrag von diesen zurückzuverlangen, was diese kopfschüttelnd mit Hinweis auf die zwischenzeitlich zivilrechtlich eingetretene Verjährung der entsprechenden Ansprüche ablehnten!
Herr Schütte sah sich also zwischenzeitlich durch diesen Mehrbetrag gewinnmäßig belastet und damit den Neutralitätsgrundsatz verletzt. Unter Verweis auf die sog. Reemtsma-Rechtsprechung (EuGH-Urteil vom 15.03.2007, C-35/05) machte er den Mehrbetrag als Vorsteuerabzug aus Billigkeitsgründen, sog. Direktanspruch (auch: Reemtsma-Anspruch), gem. §§ 163, 227 AO geltend.
Das Finanzamt lehnte ab, insbesondere es gem. BMF-Schreiben vom 12.04.2022, Tz 13. die Auffassung zu vertreten hatte, dass bei zivilrechtlicher Verjährung des Anspruchs auch der Direktanspruch ausscheiden würde.
Gegen die Ablehnung klagt Herr Schütte vor dem Finanzgericht Münster (FG). Das FG legte die Frage dem EuGH vor, der nun zugunsten des Klägers entschied:
Unter Beachtung des Neutralitätsgrundsatzes und des Effektivitätsgrundsatzes steht dem Leistungsempfänger auch dann ein Direktanspruch gegen das Finanzamt zu, wenn der leistende Unternehmer die USt an das Finanzamt abgeführt hat, die Erstattung des unrichtig berechneten Mehrbetrags aber wegen eingetretener Verjährung verweigert. Der Anspruch schließt auch eine Verzinsung ein, da dem Leistungsempfänger auch insoweit kein (unverschuldeter) Nachteil entstehen darf.
Fundstelle: EuGH-Urteil vom 07.09.2023, C-453/22, Rs. Schütte
Autor: Thore Guse