Fallstricke bei vorweggenommener Erbfolge
Keine Buchwertfortführung bei unentgeltlicher Übertragung des Mitunternehmeranteils und zeitgleicher Veräußerung von funktional wesentlichem Sonderbetriebsvermögen an Dritte
Die Erbengeneration steht in den Startlöchern. Vielerorts wird nach Möglichkeiten gesucht, das in den vergangenen Jahrzehnten aufgebaute Vermögen möglichst steuergünstig auf die nächste Generation zu übertragen.
Aber aufgepasst, der Teufel steckt im Detail, wie das folgende Urteil zeigt.
Im Streitfall stellte sich die Frage, ob die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG, d. h. Buchwertfortführung ohne steuerpflichtige Aufdeckung stiller Reserven, bei unentgeltlicher Übertragung eines Mitunternehmeranteils und taggleichem Verkauf von Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens vorliegen.
Der Urteilsfall betrifft eine Betriebsaufspaltung. Die Klägerin, eine GbR, (Besitzgesellschaft) vermietete das Betriebsgrundstück an die A-GmbH (Betriebsgesellschaft).
An beiden Gesellschaften waren C mit rund 75 % und D mit rund 25 % beteiligt. C übertrug ihren Miteigentumsanteil an dem o. g. Grundstück mit notariellem Vertrag vom 17.12.2013 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf ihren Sohn F. Mit gleichem Vertrag trat C von ihrem Anteil an der A-GmbH (ursprünglich 75 %) einen Anteil von 30 % an F ab.
Mit einem weiteren notariellen Vertrag vom 17.12.2013 verkaufte C die verbliebenen Geschäftsanteile an der A-GmbH zum einen an den Mitgesellschafter D und zum anderen an dessen Bruder G. Nach der Anteilsübertragung stellten sind die Beteiligungsverhältnisse an der A-GmbH wie folgt dar: D 48 %, F 30 % und G 22 %.
Die GbR überließ weiterhin der A-GmbH das Betriebsgrundstück.
Voraussetzung der Buchwertfortführung
Streitige ist die Anwendung der Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG. Danach sind bei der unentgeltlichen Übertragung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils die Wirtschaftsgüter mit dem Buchwert anzusetzen, wenn die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist.
Umfang des zu übertragenden Mitunternehmeranteils
Bei der Übertragung des Mitunternehmeranteils zu Buchwerten sind dabei sowohl der Anteil am Gesamthandsvermögen als auch das dem einzelnen Mitunternehmer zuzurechnende gesamte funktional wesentliche Sonderbetriebsvermögen zu übertragen.
Bei der vorliegenden Betriebsaufspaltung gehören die Anteile an der A-GmbH zum notwendigen Sonderbetriebsvermögen II. Die Anteile sind funktional wesentlich. C und D konnten ihren Betätigungswillen in der A-GmbH nur über ihre Beteiligung an dieser verwirklichen.
Präzisierung des maßgeblichen Zeitpunkts durch den BFH
Fraglich ist, ob im Streitfall der gesamte Mitunternehmeranteil übertragen wurde. In diesem Fall käme die Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG zum Tragen. Zur Beantwortung dieser Frage ist nach Ansicht des BFH auf den Zeitpunkt der Übertragung abzustellen. Dabei ist nicht auf den Tag der Übertragung (Zeitraum), sondern vielmehr auf den konkreten Zeitpunkt der Übertragung, die „juristische Sekunde“, abzustellen.
Übergang des wirtschaftlichen Eigentums
Der für die Übertragung maßgebliche Zeitpunkt ist dabei der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO).
Was bedeutet das nun in der Praxis für die Anwendung der Buchwertfortführung?
Drei Fallgruppen sind zu unterscheiden:
- Unschädliche Gestaltung
Wird eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage des Mitunternehmeranteils eine juristische Sekunde vor der Übertragung des (verbliebenen) gesamten Mitunternehmeranteils an einen Dritten veräußert oder in das Privatvermögen überführt, ist das für die Anwendung der Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG unschädlich. - Schädliche Gestaltung
Dementsprechend ist es für die Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG schädlich, wenn eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage eine juristische Sekunde nach der Übertragung des Mitunternehmeranteils an einen Dritten veräußert oder ins Privatvermögen überführt wird. - Urteilsfall
Im Urteilsfall hatte der BFH nunmehr über die bisher noch offene Frage zu entscheiden, ob die Buchwertfortführung auch bei unentgeltlicher Übertragung des Mitunternehmeranteils und zeitgleicher Veräußerung von funktional wesentlichem Sonderbetriebsvermögen anzuwenden ist.
Dies verneinte der BFH. Denn im Übertragungszeitpunkt werden gerade nicht alle noch vorhandenen wesentlichen Betriebsgrundlagen übertragen. Dies ist aber Voraussetzung für die Anwendung der Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG. Damit sind auch die hinsichtlich der unentgeltlichen Übertragung des verbleibenden Mitunternehmeranteils aufgedeckten stillen Reserven zu versteuern. Denn es handelt sich insgesamt um die Aufgabe des (gesamten) Mitunternehmeranteils.
Mit BMF-Schreiben vom 05.05.2021 (IV C 6 S 2240/19/10003) hat sich die Finanzverwaltung dieser Rechtsprechung angeschlossen.
Gestaltungshinweis
Sofern im Rahmen der unentgeltlichen Übertragung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils zu Buchwerten auch funktional wesentliches Betriebsvermögen an Dritte veräußert oder in das Privatvermögen überführt werden soll, muss zwingend darauf geachtet werden, dass das wirtschaftliche Eigentum an der funktional wesentlichen Betriebsgrundlage vor der Übertragung des (verbliebenen) gesamten Mitunternehmeranteils erfolgt.
Zu beachten ist weiterhin, dass es für unterschiedliche Wirtschaftsgüter (z. B. Grundstück, GmbH-Anteile) auch unterschiedliche Voraussetzungen für die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums gibt und die Zeitpunkte der Übertragung daher variieren können.
Autorin: Julia Pietrzik