Fiktives Anlagevermögen

Die gleich lautenden Erlasse wurden zu Anwendungsfragen zur Hinzurechnung von Finanzierungsanteilen nach § 8 Nr. 1 GewStG i. d. F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (BGBl. I S. 1912, BStBl I S. 630, BStBl I S. 654) geändert (Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 06.04.2022).

Miet- und Pachtzinsen werden dann für die Benutzung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens gezahlt, wenn die Wirtschaftsgüter für den Fall, dass sie im Eigentum des Mieters oder Pächters stünden, dessen Anlagevermögen zuzurechnen wären. Diese Fiktion muss sich jedoch soweit wie möglich an den betrieblichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen orientieren und richtet sich nach dem jeweiligen konkreten Geschäftsgegenstand im betreffenden Einzelfall (Ländererlass 06.04.2022 Rz. 29b).

Praktische Konsequenzen

Der Ländererlass benennt mehrere Einzelfälle aus der jüngeren BFH-Rechtsprechung, die in Abgrenzungsfragen betreffend den zuletzt genannten Aspekt helfen können:

a) Filmhersteller: Gehen angemietete Wirtschaftsgüter wie Filmlocations oder Ausstattungsgegenstände gewissermaßen in das „Produkt“ Film ein, weil sie nur in einem einzelnen Film verwendet werden können, so liegt kein Anlagevermögen vor. Kann das angemietete Wirtschaftsgut demgegenüber jedoch gleich einem Werkzeug für die Herstellung von verschiedenen Filmen verwendet werden, handelt es sich hierbei um fiktives Anlagevermögen (vgl. BFH 12.11.2020, III R 38/17).

b) Konzertveranstalter: Die von einem Konzertveranstalter angemieteten Veranstaltungsimmobilien sind seinem fiktiven Anlagevermögen zuzuordnen, da diese Wirtschaftsgüter nach dem Geschäftsgegenstand ständig für den Gebrauch vorzuhalten sind. Hierbei ist es unerheblich, ob mehrmals derselbe oder aber verschiedene mehr oder weniger vergleichbare Gegenstände angemietet werden und ob ein potenzieller Erwerb dieser Mietobjekte wirtschaftlich sinnvoll ist (BFH 08.12.2016 IV R 24/11).

c) Messedurchführungsgesellschaft: Wird eine sog. Messedurchführungsgesellschaft entsprechend ihres Geschäftszwecks nur aufgrund auftragsbezogener Weisungen ihres Auftraggebers nach den konkreten vertraglichen Abreden wie ein Mittler zwischen Messeveranstalter und Auftraggeber tätig, liegt kein fiktives Anlagevermögen hinsichtlich der für den jeweiligen Auftrag angemieteten Wirtschaftsgüter vor. Angesichts der Zufälligkeit der Auswahlentscheidung des Auftraggebers kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Messedurchführungsgesellschaft entsprechende Wirtschaftsgüter ständig für den Gebrauch in ihrem Betrieb vorgehalten hätte (BFH 25.10.2016 I R 57/15).

d) Pauschalreiseveranstalter: Die von einem Pauschalreiseveranstalter angemieteten Hotelzimmer und Hoteleinrichtungen stellen nach dessen Geschäftsgegenstand kein fiktives Anlagevermögen dar. Die angemieteten Wirtschaftsgüter werden nicht wie bei einem Hotelier zur dauerhaften Herstellung neuer Produkte (Übernachtung, Verpflegung, Veranstaltung) benötigt, sondern fließen als Teilprodukt in das jeweilige Kundenprodukt „Pauschalreise“ ein und verbrauchen sich mit der Durchführung der Reise (vgl. BFH 25.07.2019, III R 22/16, BStBl 2020 II S. 51).

Autor: Prof. Alexander Kratzsch