Kann der Verzicht auf eine angemessene Verzinsung einer auf einem Gesellschafterverrechnungskonto verbuchten Darlehensforderung einer GmbH zu einer vGA führen?
Im Urteil vom 22.02.2023, I R 27/20, vertritt der BFH die Auffassung, für das Vorliegen einer vGA spreche auch, dass in dem nicht vergüteten Entzug von Liquidität zu Lasten der Kapitalgesellschaft regelmäßig eine vGA liege (z. B. schon BFH-Urteil vom 17.12.1997, I R 70/97).
Das Verrechnungskonto, das einen Saldo zugunsten der Klägerin aufgewiesen habe, ist in den Streitjahren im Unterschied zu den Vorjahren unverzinst geblieben. Allerdings sei aus Sicht der darlehensgebenden Klägerin von einer verhinderten Vermögensmehrung auszugehen. Denn nach der BFH-Rechtsprechung sei der bankübliche Habenzins, der tatsächlich in den Streitjahren nahezu bei Null lag, nicht der alleinige Maßstab für die Fremdvergleichsprüfung.
Das FG habe den maßgeblichen Fremdvergleichspreis unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls zu ermitteln. Für die betreffende Leistung gebe es zwar nicht „den“ Fremdvergleichspreis, sondern eine Bandbreite von Preisen. In einem solchen Fall sei bei der Berechnung der vGA von dem für den Steuerpflichtigen günstigsten Vergleichspreis auszugehen.
Seien keine anderen Anhaltspunkte für die regelmäßig gebotene Schätzung der fremdüblichen Zinsen erkennbar, sei es nicht zu beanstanden, wenn von dem Erfahrungssatz ausgegangen werde, dass sich private Darlehensgeber und -nehmer die bankübliche Marge zwischen Soll- und Habenzinsen teilen (sog. Margenteilung).
Die Entscheidung des BFH gilt ungeachtet des Umstands, dass in den Streitjahren ein Niedrigzinsniveau herrschte und im Falle der Geldanlage bei Banken sogar „Strafzinsen“ (Verwahrentgelte) drohten. Insbesondere einer fehlender Besicherung kommt bei der Fremdvergleichsprüfung nach der Rechtsprechung zum Margenteilungsgrundsatz eine besondere Bedeutung zu.
Quelle: BFH-Urteil vom 22.02.2023, I R 27/20
Autor: Prof. Dr. Alexander Kratzsch