Gespaltenen Gewinnverwendung oder disquotale Gewinnausschüttung

Fraglich ist, welche Möglichkeiten bestehen, wenn der Gewinn nicht beteiligungskongruent ausgeschüttet werden soll.

Die Aufstellung des Jahresabschlusses einer GmbH obliegt dem Geschäftsführer. Die Feststellungskompetenz, d. h. die Billigung des Jahresabschlusses, liegt bei der Gesellschafterversammlung. Aus der Feststellungskompetenz der Gesellschafterversammlung bzw. dieser grundsätzlichen Überordnung folgt auch, dass die Gesellschafter dem Geschäftsführer schon vor der Jahresabschlussaufstellung Weisungen im Rahmen des Bilanz- und Steuerrechts geben können. Beim Feststellungsbeschluss dürfen Gesellschafter-Geschäftsführer mitstimmen.

Der Feststellungsbeschluss kann mit einem Gewinnverwendungsbeschluss verbunden werden. Bei der Entscheidung über die Gewinnverwendung wird anschließend festgelegt, ob und in welcher Höhe der Gewinn thesauriert, also in eine Rücklage eingestellt oder als Gewinnvortrag behandelt wird, oder ob eine Ausschüttung an die Gesellschafter erfolgen soll. Ein Gewinnverwendungsbeschluss kann nach § 47 Abs. 1 GmbHG mit einfacher Mehrheit gefasst werden, sofern nicht der Gesellschaftsvertrag eine anderweitige Regelung vorsieht. Zu diesem Zeitpunkt entsteht grundsätzlich der Auszahlungsanspruch der Gesellschafter. In einem zweiten Schritt muss nach Entscheidung über die Verwendung des Gewinns die Aufteilung des ausschüttbaren Gewinns auf die einzelnen Gesellschafter geregelt werden. Im Rahmen der Gewinnverteilung wird also der Maßstab festgelegt, anhand dessen die einzelnen Gesellschafter am Gewinn partizipieren.

1) Inkongruente Gewinnausschüttung
Der BFH (und die FGs) sehen nur die zivilrechtliche Wirksamkeit als Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung als erforderlich an.

Dies kann durch eine einfache Satzungsänderung geregelt werden.

Nur das BMF will den Gestaltungsmissbrauch prüfen und fordert, dass „beachtliche wirtschaftlich vernünftige außersteuerliche Gründe“ vorliegen müssen.

2) Gewinnausschüttung bei gespaltener Gewinnverwendung
Nunmehr hinzugekommen ist hier eine weitere Möglichkeit und zwar durch ein kürzlich am 27.01.2022 veröffentlichtes BFH-Urteil, welches das Beratungswerk erstritten hat.

Danach ist es nunmehr zulässig, dass ein bestimmter Betrag an den Minderheitsgesellschafter ausgeschüttet wird und der dem Beteiligungsverhältnis entsprechende Teil betreffend den beherrschenden Gesellschafter in eine personenbezogene Gewinnrücklage eingestellt wird. Irgendwann in der Zukunft kann dieser Gewinnanteil einmal ausgeschüttet werden, wenn er nicht durch Verluste „verbraucht“ wurde.

Für eine gespaltene Gewinnverwendung müsste ggf. eine Satzungsänderung durchgeführt werden.

Folgen

Eine solche Einstellung in die gesellschafterbezogene Gewinnrücklage führt auch beim beherrschenden Gesellschafter nicht zum Zufluss von Kapitalerträgen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG (BFH, Urteil vom 28. September 2021 VIII R 25/19).

Durch den Beschluss über eine gespaltene Verwendung (Ausschüttung) wird die strikte Trennung zwischen Gewinnverwendung und -verteilung durchbrochen. Es besteht die Möglichkeit, die unterschiedlichen Interessen der Gesellschafter zu berücksichtigen, indem lediglich an einige Gesellschafter deren Gewinnanteil ausgeschüttet wird. Die übrigen Gesellschafter können anstelle einer Ausschüttung ihren proportionalen Gewinnanteil in eine ausschließlich gesellschafterbezogene Rücklage einstellen. Somit wird die (tatsächliche) Ausschüttung in die Zukunft verlagert. Weder handels- oder steuerbilanzielle noch gesellschaftsrechtliche Vorschriften verhindern eine Rücklagenzuordnung nach einem abweichenden Verhältnis im Vergleich zu ihren Beteiligungsverhältnissen, wenn dies außerhalb einer Kapitalerhöhung geschieht.

Die Einstellung in eine gesellschafterbezogene (oder auch „angestrichene“) Rücklage verhindert z.B., dass diejenigen Gesellschafter, die aktuell nicht an einer Ausschüttung teilnehmen wollen, im Zeitpunkt der Ausschüttung ihres thesaurierten Gewinnanteils benachteiligt werden. Ansonsten würde nämlich die spätere Ausschüttung an alle Gesellschafter anhand des Beteiligungsverhältnisses erfolgen. Neben der wirtschaftlichen Benachteiligung einiger Gesellschafter könnte dies weitere negative Folgen in Form von Schenkungen nach § 7 Abs. 8 ErbStG haben.

Autor: Prof. Alexander Kratzsch