Gewinnerzielungsabsicht bei den Einkünften aus § 17 EStG und Gestaltungsmissbrauch bei Veräußerungsverlusten (Rechtslage bis 31.07.2019)

Gewinnerzielungsabsicht bei den Einkünften aus § 17 EStG und Gestaltungsmissbrauch bei Veräußerungsverlusten (Rechtslage bis 31.07.2019)
Bei der Veräußerung vom im Privatvermögen gehaltenen Anteilen an Kapitalgesellschaften (§ 17 EStG) ist die Gewinnerzielungsabsicht für die gesamte Beteiligung einheitlich zu prüfen (BFH-Urteil vom 03.05.2023 – IX R 12/22). Zudem hält der BFH die gezielte Herbeiführung eines Verlustes durch die Veräußerung eines Anteils, dessen Anschaffungskosten über dem Verkehrswert liegen, nicht ohne weiteres für einen Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO.
Die Kläger sind Ehegatten. Die Klägerin gründete 2015 als Alleingesellschafterin eine GmbH. Das Stammkapital betrug 25.000 EUR. Es war eingeteilt in 25.000 Geschäftsanteile im Nennbetrag von jeweils 1 EUR. Im Dezember 2015 beschloss die Gesellschafterversammlung der GmbH eine Kapitalerhöhung um 1.000 EUR. Auch diesen Geschäftsanteil (Nr. 25001) übernahm die Klägerin. Sie zahlte neben den 1.000 EUR ein Aufgeld von 500.000 EUR in die freie Kapitalrücklage.
Anteile | Anschaffungskosten |
Nr. 1 – 25.000 | je 1 EUR |
Nr. 25.001 | 1.000 EUR |
Nr. 25.001 Aufgeld | 500.000 EUR |
Ende Dezember veräußerte die Klägerin 300 ihrer Geschäftsanteile im Nennwert von je 1 EUR (Nr. 24.701 – 25.000) sowie den neuen Geschäftsanteil Nr. 25.001 zum Kaufpreis von 26.300 EUR an den Kläger.
In der Einkommensteuererklärung berücksichtigte die Klägerin folgenden Veräußerungsverlust gem. § 17 EStG:
Veräußerungspreis | 26.300 EUR | |
Anschaffungskosten | ||
Geschäftsanteile Nr. 24.701 – 25.000 | 300 EUR | |
Geschäftsanteile Nr. 25.001 | 1.000 EUR | |
Aufgeld für Geschäftsanteile Nr. 25.001 | 500.000 EUR | – 501.300 EUR |
Veräußerungsverlust | – 475.000 EUR | |
Teileinkünfteverfahren (60 %) | – 285.000 EUR |
Der BFH bestätigt diese Rechtsauffassung
Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft. Voraussetzung dafür ist, dass der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft zu mindestens 1 % beteiligt war. Diese Voraussetzungen lagen vor. Die Klägerin war zu 100 % am Kapital der GmbH beteiligt. Sie hat 5 % der Anteile an den Kläger veräußert.
Gewinnerzielungsabsicht
Die für die Berücksichtigung des Verlustes erforderliche Gewinnerzielungsabsicht lag vor. Diese ist unabhängig von der rechtlichen Selbständigkeit der Anteile nicht anhand jedes einzelnen veräußerten Anteils, sondern an der gesamten Beteiligung der Klägerin zu messen und bezieht sich auf alle Geschäftsanteile.
Für die Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht ist der Totalgewinn als Ergebnis der Nutzung des Kapitalvermögens zu betrachten. Bei der Ermittlung des Totalgewinns sind Wertsteigerungen der Beteiligung aber auch laufende Erträge aus Ausschüttungen zu berücksichtigen. Eine solche Gesamtbetrachtung gebietet es, bei dieser Beurteilung auf die Kapitalbeteiligung als Ganzes abzustellen. Da die Klägerin weitere Anteile besaß, bestand trotz des im Jahr 2015 erzielten Verlustes weiterhin die Möglichkeit diesen Verlust in den Folgejahren auszugleichen und insgesamt einen Totalgewinn zu erwirtschaften.
Anteilsbezogene Anschaffungskosten
Die Klägerin hatte den Verlust korrekt ermittelt. Der Gewinn beziehungsweise Verlust aus der Veräußerung des Geschäftsanteils an der Kapitalgesellschaft ist sowohl hinsichtlich des Veräußerungspreises als auch der Anschaffungskosten anteilsbezogen zu bestimmen. Das Aufgeld in Höhe von 500.000 EUR gehört zu den Anschaffungskosten und ist dem Anteil Nr. 25.001 zuzuordnen. Dies gilt für Veräußerungen bis zum 31.07.2019.
Kein Gestaltungsmissbrauch
Der BFH verneint zudem den Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten. Im Zusammenhang mit § 17 EStG steht es dem Steuerpflichtigen frei, ob, wann und an wen er seinen Anteil veräußert. Dies gilt auch dann, wenn die Veräußerung zu einem Verlust führt. Denn selbst ein gezielt herbeigeführter Verlust aus der Veräußerung eines Anteils, der mit überhöhten Anschaffungskosten erworben wurde, kann durch spätere Gewinne aus der Veräußerung von weiteren Anteilen ausgeglichen werden.
Gesetzesänderung für Veräußerungen nach dem 31.07.2019
Mit Einführung des § 17 Abs. 2a Satz 5 EStG gilt für Veräußerungen nach dem 31.07.2019, dass das Aufgeld im Fall eine Überpari-Emission, d. h. die Ausgabe von Wertpapieren zu einem Kurs, der über 100 Prozent des Nennwerts liegt, auf alle vom Anteilseigner gehaltenen Anteile gleichmäßig zu verteilen ist.
Nach dieser Rechtslage wäre der Fall also deshalb anders zu beurteilen gewesen als sich deutlich geringere Anschaffungskosten für die veräußerten Anteile ergeben hätten (und damit sogar ein Veräußerungsgewinn).
Autor: Julia Pietrzik