GrSt-Wert: BFH gewährt AdV im Bundesmodell Öffnungsklausel durch verfassungskonforme Auslegung – Ist das die Rettung für das „Bundesmodell“ bei der Grundsteuerreform?

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Nachdem das FG Rheinland-Pfalz am 23.11.2023 (Az. 4. V 1295/23) im Verfahren gegen die Feststellung eines Grundsteuerwerts (für Zwecke der Festsetzung der GrSt ab 2025) eine Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt hatte, weist der BFH nun die Beschwerde des Finanzamts gegen den AdV-Beschluss zurück!

Die Entscheidung stützt der BFH dabei nicht auf Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Bewertung im „Bundesmodell“ (§§ 218 ff. BewG), sondern auf die verfassungskonforme Auslegung der Bewertungsvorschriften. Obwohl das Gesetz keinen Nachweis eines unter dem (typisiert ermittelten) Grundsteuerwert liegenden (gemeinen) Werts vorsieht, ist dieser bei verfassungskonformer Auslegung der Vorschriften zur Vermeidung einer Übermaßbesteuerung möglich.

Dieser könnte „beispielsweise durch ein Sachverständigengutachten“ erfolgen und setzt voraussichtlich eine Abweichung von 40% oder mehr voraus. Das FG hatte den Nachweis auch ohne ein Gutachten und bei einer Abweichung von mehr als 30% für möglich gehalten, war insoweit tendenziell also „großzügiger“ als der BFH. Ob beides (Abweichung 40% und Sachverständigengutachten) in Stein gemeißelt ist, lässt sich dem aktuellen Beschluss nicht mit letzter Deutlichkeit entnehmen.

Aktuell kann im Bundesmodell also zumindest dann eine AdV erstritten werden, wenn sich durch Sachverständigengutachten ein gemeiner Wert nachweisen lässt, der mehr als 40% vom festgestellten Grundsteuerwert abweicht. Im Streitfall ist das Gebäude besonders alt (Baujahr 1880) und in einem schlechten Instandhaltungszustand. Interessant ist, dass die AdV gewährt wurde, obwohl (soweit erkennbar) das Sachverständigengutachten noch gar nicht vorlag, es aber möglich erscheint, „dass der festgestellte Wert erheblich von dem gemeinen Wert abweicht“.

Meinung:

Möglicherweise versucht der BFH über die Zulassung des Nachweises eines niedrigeren Werts den Vorwurf der Verfassungswidrigkeit der typisierenden Vorschriften zu entkräften, da jedem Einzelnen zumindest auf dem Papier die Möglichkeit des Nachweises eines niedrigeren Werts verbleibt. Natürlich auf eigene Kosten. Auch aus diesem Blickwinkel kann man die GrSt-Reform durchaus als Beispiel für den „übergriffigen Staat“ verstehen, der hier einfach mit absurden Werten auftrumpfen kann und der Steuerbürger sich kompliziert per Gutachten vor einer Falscheinstufung schützen muss.

Fundstelle: BFH-Beschluss 27.05.2024, II B 78/23 (AdV)

Autor: Thore Guse

Foto: Daniel Tadevosyan via iStock