Grundstückswertermittlung bei Existenz eines zeitnahen Kaufpreises
Ansatz eines höheren Kaufpreises durch die Hintertür?
In dem Urteil des BFH (24.08.2022, II R 14/20) zugrunde liegenden Sachverhalt schenkte der Vater der Tochter im März 2017 einen Geldbetrag von 920.000 EUR zzgl. Anschaffungsnebenkosten für den Erwerb eines bestimmten Einfamilienhauses (mittelbare Grundstücksschenkung). Die Tochter erwarb im selben Monat das Einfamilienhaus für 920.000 EUR. Die Bewertung im Sachwertverfahren ergab einen Wert in Höhe von ca. 518.000 EUR. Das Finanzamt stellte im Wege des Vergleichswertverfahrens einen Grundbesitzwert in Höhe von 920.000 EUR fest. Dafür zog es den tatsächlich gezahlten Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück heran. Vergleichspreise für vergleichbare Grundstücke oder Vergleichsfaktoren konnte der Gutachterausschuss für das zu bewertende Grundstück nicht mitteilen.
Bei Ein- und Zweifamilienhäusern ist vorrangig das Vergleichswertverfahren und nachrangig das Sachwertverfahren anzuwenden. Obwohl keine Vergleichswerte bzw. -faktoren des Gutachterausschusses verfügbar waren, bewertete der BFH die mittelbare Grundstücksschenkung nicht mit dem Sachwertverfahren, sondern mit dem tatsächlich gezahlten Kaufpreis von 920.000 EUR.
Der BFH stellte nämlich fest, dass sich der Vergleichspreis nach § 183 Abs. 1 Satz 1 BewG auch aus einem zeitnah zum Bewertungsstichtag vereinbarten Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück ergeben kann. Die Anwendung des § 183 Abs. 1 Satz 1 BewG ist nicht ausgeschlossen, wenn die Gutachterausschüsse keine Vergleichspreise für das zu bewertende Grundstück mitteilen können. Das ergibt sich aus dem Zusatz „vorrangig“ in § 183 Abs. 1 Satz 2 BewG. Danach sind Grundlage zunächst die von den Gutachterausschüssen ermittelten und mitgeteilten Vergleichspreise. Liegen solche nicht vor, steht dies einer Ermittlung von Vergleichspreisen durch das für die Bewertung zuständige Finanzamt nach § 183 Abs. 1 Satz 1 BewG nicht entgegen. Ein Vergleichspreis kann dabei auch aus der Veräußerung eines einzelnen Grundstücks abgeleitet werden. Das gilt auch dann, wenn dieses Grundstück das zu bewertende Grundstück selbst ist.
Der BFH kommt also zu dem Ergebnis, dass auch ein (einzelner) Kaufpreis als Vergleichswert i. S. d. § 183 Abs. 1 Satz 1 BewG herangezogen werden kann, sodass eine spätere Veräußerung zu einem höheren Kaufpreis den gemeinen Wert eines Grundstückes bestimmen kann.
Autor: Jan Reiter