Inkongruente Gewinnausschüttungen sind keine VGA

Zivilrechtlich wirksame inkongruente Gewinnausschüttungen sind keine vGA und führen somit nicht zu Kapitaleinkünften.

Sachverhalt

Horst Holrauslegein (HH) war mit einer Beteiligung von 50 % Gesellschafter und Geschäftsführer der Schüttaus-GmbH. Die andere Gesellschafterin der Schüttaus-GmbH war die Schatztruhen-GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer wiederum HH war.

Mit einfachem Gesellschafterbeschluss (ohne Öffnungsklausel im Gesellschaftsvertrag) wurden jährlich Vorabausschüttungen inkongruent nur an die Schatztruhen-GmbH beschlossen und durchgeführt.

Das Finanzamt qualifizierte die alleinigen Ausschüttungen an die Schatztruhen-GmbH als disquotale (inkongruente) Gewinnausschüttungen, die zu jeweils zu ½ dem HH als vGA und der Schatztruhen-GmbH zuzurechnen seien. Es fehle eine zivilrechtlich wirksamer Ausschüttungsbeschluss; außerdem sah das Finanzamt einen Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO.

Entscheidung des FG

Dies sah das FG Münster in seinem Urteil vom 06.05.2020, 9 K 3359/18 E AO anders.

Ein von der Satzung abweichender, punktuell einen Einzelfall regelnder Gewinnverteilungsbeschluss ist auch ohne Änderung der Satzung zivilrechtlich wirksam.

Die Gewinnverteilungsbeschlüsse sind im vorliegenden Fall auch nicht gestaltungsmissbräuchlich i. S. d. § 42 AO erfolgt. Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind (§ 42 Abs. 2 AO). Diese Voraussetzungen für eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Weder bei HH noch bei einer dritten Person ist ein unangemessener steuerlicher Vorteil eingetreten. Zwar mag durch die inkongruenten Gewinnausschüttungen bei HH temporär die Abgeltungssteuer vermieden und eine niedrigere Versteuerung bei der Schatztruhen-GmbH nach den Maßgaben des § 8b Abs. 1 und 5 KStG 2002 n. F. erreicht worden sein. Dies stellt bei HH indes keinen steuerlichen Vorteil i. S. d. § 42 AO dar, weil die HH anderseits tatsächlich nichts erhalten hat, dass ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhöht hat und das der Besteuerung hätte unterliegen können. Da die Gewinnausschüttungen tatsächlich vollständig an die Schatztruhen-GmbH geflossen sind, kann HH – vor einer erneuten Gewinnausschüttung – nicht über die Beträge verfügen. Kommt es in Zukunft zu einer Gewinnausschüttung und erlangt er hierdurch erstmals die wirtschaftliche Verfügungsmacht über das Geld, wird HH die Versteuerung der ihm dann zugeflossenen Kapitaleinkünfte „nachzuholen“ haben.

Hinweis

Gegen das Urteil wurde die Revision beim BFH erhoben, Az. des BFH VIII R 20/20

Autor: Tino Srebne