Kein Freibetrag und ermäßigter Steuersatz
Kein Freibetrag und ermäßigter Steuersatz nach §§ 16, 34 EStG bei Veräußerung 100%iger Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft
Der Gewinn aus der Veräußerung einer im Privatvermögen gehaltenen 100%igen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft unterfällt nicht dem Anwendungsbereich des § 16 EStG, so dass hierfür weder ein Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG noch der ermäßigte Steuersatz nach § 34 EStG zu gewähren ist.
Sachverhalt
Die Eheleute Max sind Gesellschafter der Max & Moritz-GmbH (M-GmbH). Herr Max (EM) ist mit 90 % und Frau Max (EF) mit 10 % beteiligt. Zudem ist EM Geschäftsführer der M-GmbH. Die Anschaffungskosten für 100 % der Anteile betrugen 26.000 EUR. Im VAZ 2017 überträgt EF ihren Anteil an der M-GmbH auf EM. Nach der Übertragung noch im VAZ 2017 veräußert EM die nun 100%igen Anteile an der M-GmbH für 165.000 EUR.
I. R. d. ESt-Erklärung beantragte EM die Berücksichtigung eines Freibetrages nach § 16 Abs. 4 sowie eine Tarifermäßigung gem. § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG. Zur Begründung führte er an, dass eine 100%ige Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft einem Teilbetrieb gleichsteht (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Halbsatz 1 EStG).
Lösung des FG Düsseldorf
Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Gewinne, die erzielt werden bei der Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs oder eines Teilbetriebs. Als Teilbetrieb gilt nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auch die das gesamte Nennkapital umfassende Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft.
Bei einer das gesamte Nennkapital umfassenden Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft muss es sich insoweit insgesamt um notwendiges oder gewillkürtes (Sonder-)Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen handeln, um zur Anwendung des § 16 EStG zu gelangen. Gehört die Beteiligung dagegen ganz oder teilweise zum Privatvermögen des Steuerpflichtigen – wie vorliegend – unterfällt der Gewinn aus der Veräußerung der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft dem Anwendungsbereich des § 17 EStG.
Diese Unterscheidung des Anwendungsbereichs der Vorschriften nach der Zuordnung zum Betriebsvermögen oder Privatvermögen lässt sich zwar weder dem Wortlaut des § 16 EStG noch dem Wortlaut des § 17 EStG ausdrücklich entnehmen. Jedoch gehen sowohl die herrschende Ansicht in der Literatur als auch die Gesetzesmaterialien zur Neufassung des § 17 EStG und auch der BFH davon aus, dass sich die Übertragung von im Privatvermögen gehaltenen GmbH-Anteilen nicht nach § 16 EStG, sondern ausschließlich nach § 17 EStG beurteilt. Der Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung an.
Die Anwendung des § 34 EStG setzt voraus, dass in dem zvE außerordentliche Einkünfte enthalten sind. Gem. § 34 Abs. 2 Halbsatz 1 EStG kommen als solche außerordentlichen Einkünfte nur die enumerativ in § 34 Abs. 2 Nr. 1 – 5 EStG aufgeführten Einkünfte in Betracht. Veräußerungsgewinne i. S. d. § 17 EStG sind dort nicht genannt. Gemeinschafts- oder verfassungsrechtliche Bedenken bestehen diesbezüglich nicht.
Vgl. Urteil des FG Düsseldorf, 26.01.2022, 2 K 2668/19 E
Autor: Tino Srebne