Keine Einkommensteuer auf Veräußerungsgewinn für häusliches Arbeitszimmer

Wird eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Eigentumswohnung innerhalb der zehnjährigen Haltefrist veräußert, ist der Veräußerungsgewinn auch insoweit gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG von der Besteuerung ausgenommen, als er auf ein zur Erzielung von Überschusseinkünften genutztes häusliches Arbeitszimmer entfällt (entgegen BMF-Schreiben vom 05.10.2000, BStBl. 2000 I S. 1383, Rn. 21).

Sachverhalt

Pauline Powerlesson (PP) ist Lehrerin und erwarb in 2012 eine Wohnung. Sie richtete sich dort ein Arbeitszimmer ein. Den Unterhalt des Raums machte sie regelmäßig als Werbungskosten i. H. v. 1.250 EUR jährlich geltend. 2017 verkaufte sie die Wohnung und erzielte dabei – bezogen auf die Grundfläche des Arbeitszimmers – einen Gewinn i. H. v. knapp 11.000 EUR. Diese Summe besteuerte das FA als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften.
Zu Recht?

Entscheidung des BFH (01.03.2021, IX R 27/19)

Zu den sonstigen Einkünften gehören gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z. B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht), bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt.

Ausgenommen sind Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (Alt. 1) oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (Alt. 2) genutzt wurden (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG).

Das Tatbestandsmerkmal „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ setzt in beiden Alternativen voraus, dass eine Immobilie zum Bewohnen geeignet ist und vom Steuerpflichtigen bewohnt wird. Die Senatsrechtsprechung hat den Begriff der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken entsprechend deren Zweck, die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns bei Aufgabe eines Wohnsitzes zu vermeiden (BT-Drs. 14/265, 181) stets sehr weit gefasst. Ausreichend ist, dass der Steuerpflichtige das Gebäude zumindest auch selbst nutzt; unschädlich ist, wenn er es gemeinsam mit seinen Familienangehörigen oder einem Dritten bewohnt. Nach diesen Grundsätzen liegt eine „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ i. S. d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG auch hinsichtlich eines in der – im Übrigen selbst bewohnten – Eigentumswohnung befindlichen häuslichen Arbeitszimmers vor.

Der Umfang der Nutzung des Arbeitszimmers zu eigenen Wohnzwecken ist in diesem Zusammenhang nicht erheblich; denn § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG enthält in Bezug auf dieses Merkmal keine Bagatellgrenze. Dem entsprechend genügt bereits eine geringe Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, um (typisierend) davon auszugehen, dass ein häusliches Arbeitszimmer stets auch zu eigenen Wohnzwecken i. S. d. Norm genutzt wird. Aus dem in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 Alt. 1 EStG normierten Kriterium der Ausschließlichkeit folgt nichts anderes; denn dieses Merkmal bezieht sich nur auf die zeitliche, nicht auf die räumliche Nutzung des Wirtschaftsguts – hier Wohnung einschließlich Arbeitszimmer.

Hinweis

  1. Der BFH stellt sich gegen die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung.
  2. Ein Gebäude wird auch dann zu eigenen Wohnzwecken i. S. d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG genutzt, wenn es der Steuerpflichtige nur zeitweilig bewohnt, sofern es ihm in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung steht. Erfasst sind daher auch Zweitwohnungen, nicht zur Vermietung bestimmte Ferienwohnungen und Wohnungen, die i. R. e. doppelten Haushaltsführung genutzt werden (BFH-Urteil vom 03.09.2019, IX R 8/18, BFHE 266, 173, Rn. 22 m. w. N.). Ist deren Nutzung auf Dauer angelegt, kommt es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige noch eine (oder mehrere) weitere Wohnung(en) hat und wie oft er sich darin aufhält (BFH-Urteil vom 27.06.2017, a a. O., Rn. 13).

Autor: Tino Srebne