Keine Gesamtplanbetrachtung bei unentgeltlicher Übertragung von Gesellschaftsanteilen mit Sonderbertriebsvermögen
Eine Anwendung steuerneutrale Übertragung von Gesellschaftsanteilen soll ausscheiden, wenn zeitgleich mit der Veräußerung einer funktional wesentlichen Betriebsgrundlage des Sonderbetriebsvermögens der verbliebene Mitunternehmeranteil unentgeltlich auf eine andere Person übertragen wird (BMF v. 20.11.2019, Rz. 9 alter Fassung). Wird ein Betrieb, ein Teilbetrieb oder der Anteil eines Mitunternehmers an einem Betrieb unentgeltlich übertragen, so sind bei der Ermittlung des Gewinns des bisherigen Betriebsinhabers (Mitunternehmers) die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben (§ 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG). Der BFH entschied nunmehr darüber, ob eine zeitgleiche Veräußerung auch vorliegt, wenn die Veräußerung an demselben Tag, aber zeitlich vor der Anteilsübertragung vollzogen wurde.
Der BFH hat zu dem Fall der taggleichen Übertragung von Gesellschaftsanteilen und Sonderbetriebsvermögen Stellung genommen:
Eine GbR fungierte als Besitzgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung. Eigentümer des Betriebsgrundstücks sind K zu 75 % und T zu 25 %. Gesellschafter der Betriebs-GmbH waren K zu ca. 75 % und >T zu ca. 25 %. Im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertrug K mit erstem notariellem Vertrag (Vertrag 1) ihren Miteigentumsanteil an dem Betriebsgrundstück auf ihren Sohn (M) und trat 30 % ihres Anteils an der Betriebs-GmbH an M ab. Mit einem weiteren notariellen Vertrag (Vertrag 2), welchen K an demselben Tag schloss, verkaufte sie Teilgeschäftsanteile an der Betriebs GmbH an Dritte – an U zu ca. 22 % und an G zu ca. 23 %. Der zeitlich zuerst beurkundete Vertrag 1 stand unter der Bedingung des Erfolgseintritts des Vertrags 2. Die Abtretung der Anteile in Vertrag 2 steht unter der aufschiebenden Bedingung der Zahlung des Kaufpreises.
Das FA ging im Gewinnfeststellungsbescheid von der Entstehung eines Veräußerungsgewinnes aus. Dieser ergebe sich aus der Veräußerung der GmbH-Anteile an T und U sowie aus der Übertragung der GmbH-Anteile und des Miteigentumsanteils am Betriebsgrundstück an M.
Der BFH folgte dem für den Fall, dass die unentgeltliche Übertragung an F und die Übertragung der GmbH-Anteile an D und G zeitgleich stattfanden, sowie für den Fall, dass die Übertragung der GmbH-Anteile an D und G mindestens eine juristische Sekunde nach der unentgeltlichen Übertragung erfolgt ist; der BFH folgt insoweit dem BMF. Die unentgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils zum Buchwert nach § 6 Abs. 3 EStG ist nicht möglich, wenn funktional wesentliche Betriebsgrundlagen des SBV unter Aufdeckung der stillen Reserven entweder kurz nach der Übertragung des Mitunternehmeranteils oder zeitgleich an Dritte veräußert oder in das Privatvermögen entnommen werden.
Es handelt sich dann insgesamt – und damit auch hinsichtlich der unentgeltlichen Übertragung des Mitunternehmeranteils – um die Aufgabe eines Mitunternehmeranteils i. S. v. § 16 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Sie führt zur steuerpflichtigen Aufdeckung aller übertragenen stillen Reserven, was aber zumindest die Begünstigungen des § 16 Abs. 4 und des § 34 Abs. 1, 3 EStG auslöst (Freibetrag/Tarifbegünstigung).
Unschädlich ist es hingegen, wenn zumindest eine juristische Sekunde vor der unentgeltlichen Übertragung des Mitunternehmeranteils eine Veräußerung oder Entnahme der funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen des SBV erfolgt. In diesem Fall wird die unentgeltliche Übertragung des Mitunternehmeranteils von § 6 Abs. 3 EStG erfasst, sodass insoweit keine stillen Reserven aufgedeckt werden müssten.
Das FG muss nun im 2. Rechtsgang aufklären, wann das jeweilige wirtschaftliche Eigentum übergegangen ist. Aus dem Tatbestand des FG-Urteils ergibt sich nicht, wann die getroffenen Bedingungen wirksam geworden sind.
Das BMF hat bereits reagiert (BMF v. 05.05.2021 IV C 6 – S 2240/19/10003 :017) und in das BMF-Schreiben betreffend § 6 Abs. 3 EStG die neue Rz. 9a eingefügt, die wie folgt lautet:
„Bei der Prüfung, ob die Übertragung des Anteils am Gesamthandsvermögen und die Veräußerung an Dritte oder die Überführung ins Privatvermögen zeitgleich vorgenommen werden, ist auf das im Zeitpunkt der Übertragung vorhandene Betriebsvermögen abzustellen. Hierfür ist eine zeitpunktbezogene Prüfung vorzunehmen, bei der der Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums (§ 39 Absatz 2 Nummer 1 Satz 1 AO) maßgeblich ist. Es ist unschädlich, wenn vor Übertragung des (verbliebenen) gesamten Mitunternehmeranteils eine (funktional) wesentliche Betriebsgrundlage aus diesem durch Veräußerung an Dritte oder Überführung in das Privatvermögen ausgeschieden ist. Dies ist auch dann der Fall, wenn es sich nur um eine „juristische Sekunde“ handelt (vgl. BFH-Urteil vom 10. September 2020 – IV R 14/18, BStBl 2021 II S. xxx). …“
Damit hat sich das BMF der BFH-Auffassung angeschlossen und stellt nunmehr auf auf den Zeitpunkt, nicht auf den Tag ab. Dementsprechend wurden auch die Rz. 19 und 31 in dem o.g. BMF-Schreiben angepasst.
Autor: Prof. Alexander Kratzsch