Enge Auslegung der erweiterten Kürzungsvoraussetzungen
Der Gewinn von Unternehmen, die u. a. ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten, wird für Zwecke der Gewerbesteuer um den auf die Verwaltung des eigenen Grundbesitzes entfallenden Teil gekürzt. Diese Kürzung wird versagt, wenn der Grundbesitz dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen dient.
Streitig war, ob die Überlassung relativ unwesentlichen Grundbesitzes an eine geringfügig beteiligte Genossin, den diese für ihren Gewerbebetrieb nutzt, der erweiterten Kürzung bei der Genossenschaft entgegen steht.
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine Genossenschaft, die ausschließlich Wohnungen und gewerblich genutzte Flächen vermietet. Eine ihrer gewerblichen Mieterinnen (M) betrieb darin ein Einzelhandelsgeschäft, dessen Gewinne unter dem gewerbesteuerlichen Freibetrag i. H. v. 24.500 EUR lagen. Um auch eine Wohnung anmieten zu können, erwarb M einen Genossenschaftsanteil. Ihr Anteil an der Genossenschaft betrug 0,0168 %.
Das FA gewährte die von der Klägerin beantragte erweiterte Kürzung nicht. Das FG entschied erstinstanzlich, dass die erweiterte Kürzung zu gewähren sei, weil die Genossin nur geringfügig beteiligt und ihr Unternehmen selbst keiner Gewerbesteuerbelastung ausgesetzt sei.
Die Klage blieb erfolglos. Eine Gesamtbetrachtung, wonach das Zusammenkommen mehrerer „Bagatellaspekte“ die Nichtanwendung des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG rechtfertigt, obwohl diese für sich – einzeln genommen – die Nichtanwendung der Vorschrift nicht rechtfertigen würden, finde im Gesetz keine Stütze. Es sei vielmehr Sache des Gesetzgebers, derartige unbillig erscheinende Ergebnisse zu vermeiden, wie dies kürzlich hinsichtlich des Ausschließlichkeitsgebots des § 9 Abs. 1 Satz 2 GewStG geschehen ist (vgl. § 9 Nr. 1 Satz 3 GewStG n.F.).
Erläuterungen
Die Entscheidung ist nach dem Gesetzeswortlaut eindeutig richtig. Auch bei einer mit etwa nur 0,01 % an einer grundbesitzverwaltenden Wohnungsbaugenossenschaft beteiligten Mieterin wird nicht nur Wohnraum, sondern daneben auch ein gewerblich genutzte Fläche (Ladenlokal) vermietet. Die erweiterte Kürzung entfällt nach § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG, wenn der Grundbesitz „ganz oder zum Teil“ dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen dient. Für einen nur anteiligen Ausschluss der Begünstigung ist nach Auffassung des BFH kein Raum. Dies ist nach dem Gesetzeswortlaut konsequent, weil das Gesetz den Begriff „wenn“ (und nicht mit „soweit“ nennt. Andererseits gibt es andere Vorschriften, bei denen der BFH den zu weit geratenen Wortlaut teleologisch reduziert. Dies wäre auch hier denkbar gewesen, wird aber offenbar vom BFH nicht (mehr) ins Auge gefasst. Der BFH hat noch in seinem Urteil vom 07.04.2005 (IV R 34/03, BStBl 2005 II S. 576) in Betracht gezogen, die erweiterte Kürzung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit ungeachtet des Wortlauts des § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG dann zu gewähren, wenn der gewerbliche Nutzer des Grundstücks nur mit einem Anteil von ganz untergeordneter Bedeutung an der Grundstücksgesellschaft beteiligt ist. Die Folgerechtsprechung, die ihren vorläufigen Schlusspunkt mit der Besprechungsentscheidung gefunden hat, verneinte dies jedoch.
Der Umstand, dass die Gewinne den Freibetrag von 24.500 EUR nicht überschritten haben, ist danach ebenfalls unbeachtlich.
Es obliegt damit im Ergebnis dem Gesetzgeber, einen Nichtanwendungsfall für Geringfügigkeitsfälle zu schaffen. Solange dies nicht geschieht, führt jede Nutzung eines Gesellschafters/Genossen zu einer Versagung der erweiterten Kürzung.
Fundstelle
BFH 29.06.2022 III R 19/21
Autor: Prof. Dr. Alexander Kratzsch