Nutzungsdauer von Computerhardware und Software
3. BMF-Schreiben zur Nutzungsdauer von Computerhardware und Software zur Dateneingabe und -verarbeitung
Das BMF reagiert mit diesem BMF-Schreiben auf die Eingabe der Spitzenorganisationen der deutschen Wirtschaft v. 29.03.2022 und bietet durch die im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder formulierten Ergänzungen die von der Praxis eingeforderten Klarstellungen.
Die vorliegende Neufassung v. 22.02.2022 ändert nicht den mit dem BMF-Schreiben v. 26.02.2021 (IV C 3 – S 2190/21/10002 :003, BStBl. I 2021, 298, DStR 2021, 540) beabsichtigten Regelungsgehalt. Insbesondere sollen mit diesem BMF-Schreiben keine besondere Form der Abschreibung und keine andere neue Abschreibungsmethode eingeführt werden.
Steuersystematischer Hintergrund der Regelungen des BMF-Schreibens
Grundsätzlich richtet sich die Absetzung für Abnutzung (AfA) für bewegliche Wirtschaftsgüter nach § 7 Abs. 1 bis 3 EStG. Der Abschreibungszeitraum für bewegliche Wirtschaftsgüter bemisst sich dabei nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer. Die Nutzungsdauer ist unter Berücksichtigung der besonderen betrieblichen Verhältnisse zu schätzen. Hierbei sind sowohl die betriebsgewöhnliche Lebensdauer, die technische Leistungsfähigkeit und die betriebliche Auslastung, aber auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen.
Im Ergebnis ist die Bestimmung der für die Abschreibung zu Grunde zu legenden Nutzungsdauer eine sowohl handelsrechtlich als auch steuerrechtlich zu beurteilende Frage. Sie ist jedoch unabhängig von einer gegebenenfalls tatsächlich längeren Nutzung des Wirtschaftsgutes im Betrieb. Es kann daher vorkommen – und kommt auch bei den verschiedensten Wirtschaftsgütern vor –, dass für den Ansatz der planmäßigen Abschreibungen in der Handelsbilanz ein anderer Abschreibungszeitraum zu Grunde gelegt wird als für die Absetzung für Abnutzung in der Steuerbilanz (Beispiel ERP-Software: Handelsbilanz 8 Jahre Nutzungsdauer, Steuerbilanz 5 Jahre Nutzungsdauer aufgrund des BMF-Schreibens v. 18.11.2005 – IV B 2 – S 2172-37/05, BStBl. I 2005, 1025, BeckVerw 067924).
Derzeitig geführte Diskussion um das BMF-Schreiben v. 22.02.2022
Zentraler Punkt der gegenwärtig geführten Diskussion ist die Frage, ob die betroffenen Wirtschaftsgüter auch bei der vorgeschlagenen Annahme einer nur einjährigen Nutzungsdauer weiterhin dem § 7 Abs. 1 EStG und damit der Abschreibung unterliegen.
Mit dem BMF-Schreiben sollte keine neue Abschreibungsmethode in Form einer Sofortabschreibung geregelt werden. Vielmehr stand allein die Frage nach der der Abschreibung gemäß § 7 Abs. 1 EStG zu Grunde liegenden Nutzungsdauer dieser Wirtschaftsgüter im Fokus. Ziel war es unbestritten, dass für die betroffenen Wirtschaftsgüter die Abschreibungsbedingungen schnell und unbürokratisch verbessert werden sollten.
Vor diesem Hintergrund wurde die voraussichtliche wirtschaftliche Nutzungsdauer der Wirtschaftsgüter neu beurteilt. Die technische Nutzungsdauer bleibt hiervon unberührt. Der Ansatz der kürzeren wirtschaftlichen Nutzungsdauer für die Abschreibung ist zulässig.
Bei dem „Angebot“ einer einjährigen Nutzungsdauer handelt es sich nicht um eine realitätsfremde, sondern um eine begründete Annahme, die Wirklichkeitstrends aufnimmt. Die AfA-Tabellen für allgemein verwendbare Anlagegüter (AfA-Tabelle AV) wurden letztmalig im Jahr 2000 aktualisiert. Auch das BMF-Schreiben zur steuerlichen Behandlung von ERP-Software, in dem eine Nutzungsdauer von 5 Jahren vorgesehen war, stammte aus dem Jahr 2005.
Seitdem ist es im Bereich der Digitalisierung zu gravierenden Veränderungen und Weiterentwicklungen gekommen. Betriebliche Prozesse und Investitionen sind häufig innerhalb kurzer Zeit durch noch bessere und innovativere „digitale Wirtschaftsgüter“ und IT-Verfahren überholt. Ein Unternehmen, dass heute in Hard- und Software investiert, kann bereits nach kurzer Zeit diese Wirtschaftsgüter nicht mehr zu einem vergleichbaren Wert verkaufen. Ein wirtschaftlicher Verbrauch kann dann angenommen werden, wenn die Möglichkeit einer wirtschaftlich sinnvollen, ggf. auch einer anderweitigen Nutzung oder Verwertung endgültig entfallen ist.
Auswirkungen des BMF-Schreibens
Die mit dem BMF-Schreiben bekannt gegebene Annahme einer verkürzten Nutzungsdauer für Computerhardware und Software von bisher drei bzw. fünf Jahren auf ein Jahr führt zu einer klaren Verbesserung für die Unternehmen, die somit ohne weitere Verständigung mit der Finanzverwaltung diese digitalen Wirtschaftsgüter innerhalb eines Jahres abschreiben können.
Vereinfachend wirkt zudem, dass es von Seiten der Finanzverwaltung nicht beanstandet wird, wenn Steuerpflichtige die betroffenen Wirtschaftsgüter vollständig im Jahr der Anschaffung abschreiben und § 7 Abs. 1 S. 4 EStG keine Anwendung findet. Hiervon werden insbesondere auch Privatpersonen und kleine Unternehmen (z. B. Start-Up) profitieren, die ihre PCs und Software damit praktisch im Jahr der Anschaffung vollständig abschreiben können. Das heißt aber im Umkehrschluss auch, dass die gesetzliche Regelung des § 7 Abs. 1 S. 4 EStG nicht ausgeschlossen ist und bei der Abschreibung berücksichtigt werden kann.
In der Neufassung des BMF-Schreibens wird nunmehr klarstellend ausgeführt, dass die Anwendung der kürzeren Nutzungsdauer keine Wahlrechtsausübung i. S. d. § 5 Abs. 1 EStG darstellt. Eine andere Interpretation ist auch nicht möglich, da mit dem BMF-Schreiben die bestehende Abschreibungssystematik nicht modifiziert wurde.
Die Annahme einer neuen kürzeren Nutzungsdauer hat daher keine besonderen Auswirkungen auf das Verhältnis von Handels- und Steuerbilanz. Auch ohne diese Annahme können in der Praxis in der Handelsbilanz andere Nutzungsdauern für die planmäßigen Abschreibungen zu Grunde gelegt werden als für die Absetzung für Abnutzung in der Steuerbilanz. Der Maßgeblichkeitsgrundsatz des § 5 Abs. 1 EStG gilt grundsätzlich zwar auch für die Bewertung der Wirtschaftsgüter. Nach dem steuerlichen Bewertungsvorbehalt in § 5 Abs. 6 EStG, der sich auch auf die Absetzung für Abnutzung bezieht, können aber auch Abweichungen zwischen der handelsrechtlichen und der steuerrechtlichen Bewertung bestehen.
Da die im BMF-Schreiben angebotene Annahme einer kürzeren Nutzungsdauer – wie dargelegt – keine Sonderregelung darstellt bzw. das Abschreibungssystem nicht verändert, ist das BMF-Schreiben auch nicht beihilferechtlich beachtlich. Erst eine von den allgemeinen steuerlichen Grundsätzen abweichende Sonderregelung wäre beihilferechtlich relevant. Dies liegt jedoch erkennbar nicht vor.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die Annahme einer kürzeren Nutzungsdauer nur für die eng im BMF-Schreiben abgegrenzte Computerhardware und Software Anwendung findet. Bei der Hardware handelt es sich hierbei vorrangig um Arbeitsplatz-PCs, die ggf. auch bisher schon der Bewertungsfreiheit nach § 6 Abs. 2 oder Abs. 2a EStG unterlagen. Für diejenigen PC, die aufgrund einer fehlenden selbständigen Nutzungsdauer oder aufgrund der Überschreitung der 800-EUR-Grenze davon nicht profitieren konnten, führt der Ansatz einer einjährigen Nutzungsdauer nunmehr wirtschaftlich zu demselben Ergebnis.
Soweit auch schon aus anderen Erwägungen heraus in der Praxis unterschiedliche Nutzungsdauern und damit unterschiedliche Abschreibungszeiträume in den Handels- und Steuerbilanzen angesetzt wurden, kann diese abweichende Behandlung sich auch bei den im BMF-Schreiben v. 22.02.2022 angesprochenen Wirtschaftsgütern ergeben. Da die Wirtschaftsgüter weiterhin der Abschreibung nach § 7 Abs. 1 EStG unterliegen, bedarf es keines Wahlrechtes i. S. d. § 5 Abs. 1 EStG, denn für die Abschreibung ist kein anderer steuerlicher Ansatz zu wählen als der der regulären Abschreibungen gemäß § 7 Abs. 1 bis 3 EStG.
Autor: Tino Srebne