Positive Folgen der Verschmelzung einer Gewinn- auf eine Verlustgesellschaft

Nach BFH vom 17.11.2020 (I R 2/18) liegt bei der Verschmelzung einer Gewinn- auf die Verlustgesellschaft i. d. R. kein Gestaltungsmissbrauch vor.

Der BFH stellte zwei Kernaussagen in den Vordergrund:

  1. Gestaltungen zur Nutzung eines vom Steuerpflichtigen erwirtschafteten („echten“) Verlustes sind nicht rechtsmissbräuchlich. Es bedürfe in diesen Fällen keines weiteren außersteuerlichen Zwecks, der mit der Gestaltung verfolgt werden muss.
  2. Seien spezielle Missbrauchsverhinderungsnorm tatbestandlich nicht einschlägig, werde eine Anwendung des § 42 AO nicht verdrängt.

Eine GmbH (M-GmbH) befand sich in Liquiditätsschwierigkeiten. Daraufhin bot die Kapitalgesellschaft C der GmbH zum Zwecke der Finanzierung an, die Beteiligung an einer 100 %-igen Tochtergesellschaft, der T-GmbH, zu erwerben. Die Anteilsveräußerung wurde vollzogen. Bereits mit Verschmelzungsvertrag vom nächsten Tag erfolgte eine rückwirkende Verschmelzung der T-GmbH auf die M-GmbH. Aufgrund der Verschmelzung wurde das auf den Rückwirkungszeitraum entfallende positive Einkommen der T-GmbH mit den Verlustvorträgen der M-GmbH verrechnet. Dem versagte das Finanzamt die Anerkennung, weil die Anteilsübertragung und die sich anschließende Verschmelzung gestaltungsmissbräuchlich nach § 42 AO seien.

Der BFH entschied demgegenüber, das Finanzgericht habe die vorzitierten Bestimmungen zu Unrecht als einzelsteuergesetzliche Umgehungsverhinderungsvorschriften i. S. des § 42 Abs. 1 Satz 2 AO qualifiziert und diesen eine „Abschirmwirkung“ gegenüber der Anwendung des § 42 AO zuerkannt. Gleichwohl stelle der Erwerb der Anteile an der D-GmbH und deren anschließende rückwirkende Verschmelzung auf die A-GmbH keinen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i. S. des § 42 Abs. 2 AO dar.

Der BFH sieht in § 12 Abs. 3 Halbsatz 2 i. V. mit § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG keine einzelsteuergesetzliche Norm zur Verhinderung missbrauchsverdächtiger Mantelkaufgestaltungen sieht. Die Regelungen träfen vielmehr eine generelle Aussage zur Behandlung von Verlustvorträgen der übertragenden Körperschaft und erwiesen sich formal lediglich als Teilstück in der Konzeption des Gesetzgebers zur Ausgestaltung der steuerlichen Rechtsnachfolge bei Verschmelzungen. Auch handele es sich bei § 8c KStG nicht um eine Norm, welche der missbräuchlichen Nutzung von Verlusten diene.

Somit sind Gestaltungen, die darauf abzielten, dem Steuerpflichtigen die Nutzung eines von ihm erwirtschafteten Verlustes zu ermöglichen, nicht als rechtsmissbräuchlich zu bewerten. Anders als die Nutzung „echter“ betriebswirtschaftlicher Verluste sind allerdings „eingekaufter“ Fremdverluste zu beurteilen.

Autor: Prof. Alexander Kratzsch