Problempunkte der neuen Kleinunternehmerregelung

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Die Gesetzesänderung ist da, ein BMF-Schreiben seit dem 18.03.2025 auch. Welche Probleme ergeben sich aus der Änderung der Kleinunternehmerregelung?

Insbesondere der Wechsel von der Kleinunternehmerregelung zur Regelbesteuerung löst neue Fragestellungen aus:

  • Wie wird das unterjährige Überschreiten der 100.000 EUR-Grenze bestimmt?
  • Wie ist der Vorsteuerabzug bei Umlaufvermögen zu beurteilen, wenn dies vor dem Wechsel gekauft und nach dem Wechsel verkauft (geliefert) wird?
  • Wie ist der Vorsteuerabzug bei Verwendung im Ausland zu behandeln?

Unterjähriges Überschreiten der 100.000 EUR-Grenze

Hat der Unternehmer die Vorjahresgrenze von 25.000 EUR im Jahr 2024 nicht überschritten, wird er im Laufe des Jahres 2025 zum Regelbesteuerer und führt steuerpflichtige Umsätze aus, sobald er die Schwelle von 100.000 EUR überschreitet.

Die Gesetzesbegründung enthält dazu folgenden Aussagen:

Die bis zum Zeitpunkt der Überschreitung bewirkten Umsätze sind steuerfrei“ und „Bereits der Umsatz, mit dem die Grenze überschritten wird, unterliegt der Regelbesteuerung“.

Umsätze sind in diesem Kontext ausschließlich Lieferungen und sonstige Leistungen. Diese werden bewirkt im Zeitpunkt der Ausführung, der mit dem Zeitpunkt der Steuerentstehung nicht identisch ist (insbesondere nicht bei der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelt, Ist-Besteuerung, gem. § 20 UStG).

Das vom Gesetzgeber möglicherweise nicht bedachte Problem besteht darin, dass die maßgeblichen Umsatzgrenzen auf den Gesamtumsatz i.S.v. § 19 Abs. 2 UStG beziehen, der stets nach vereinnahmten Entgelten zu berechnen ist. D.h., auch dann, wenn der Leistende tatsächlich der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten (sog. Soll-Besteuerung) gem. § 16 UStG unterliegt.

Die Umsatzgrenze kann daher nur durch Vereinnahmung von Entgelt überschritten werden, was leicht zu verdeutlichen ist:

Beispiel:

UD hat vom 01.01. bis 15.12.2025 Umsätze ausgeführt und dafür auch die Entgelte vereinnahmt i.H.v. 95.000 EUR. In der Zeit vom 16.12. bis 31.12.2025 führt UD nur noch einen weiteren Umsatz aus. Das hierfür im Vertrag vereinbarte Entgelt (Nettobetrag, ggf. zzgl. USt) beträgt 7.500 EUR. Es wird

  1. noch in 2025 oder
  2. erst in 2026 vereinnahmt.

In der Variante a) überschreitet UD in 2025 eindeutig die Umsatzgrenze, in der Variante b) hingegen nicht (der vereinnahmte Betrag ist gem. § 19 Abs. 2 UStG erst im Gesamtumsatz für 2026 zu erfassen).

Da in Variante a) der Gesamtumsatz i.S.v. § 19 Abs. 2 UStG für 2025 tatsächlich die Grenze von 100.000 EUR überschritten hat, könnte der Umsatz von 7.500 EUR bereits unter die Regelbesteuerung fallen und damit steuerpflichtig sein.

In der Variante b) übersteigt der Gesamtumsatz für 2025 aber die Schwelle von 100.000 EUR überhaupt nicht. Daher müsste der Umsatz von 7.500 EUR noch steuerfrei sein.

Aufgrund des BMF-Schreibens finden sich Aussagen zur Frage der Grenzüberschreitung an zwei Stellen:

Abschn. 19.1 Abs. 2 Satz 4 UStAE

„Bereits der Umsatz, mit dem diese Grenze überschritten wird, ist nicht mehr nach § 19 Abs. 1 UStG steuerfrei.“

Abschn. 19.7 Abs. 1 Satz 3 UStAE

„In diesem Fall ist bereits der vereinnahmte Umsatz, der die jeweilige Grenze überschreitet, der Regelbesteuerung zu unterwerfen.“

Die umsatzsteuerliche Behandlung des Umsatzes (steuerfrei gem. § 19 Abs. 1 UStG oder steuerpflichtig) soll davon abhängen, wann der Kunde die Rechnung bezahlt! Ein Umstand, den der leistende Unternehmer nicht unbedingt beeinflussen kann.

Praktisches Problem:

Wie soll UD bei Erstellung der Rechnung wissen, wann er den Rechnungsbetrag vereinnahmen wird?

Bzw. wie soll im Zeitpunkt der Erstellung eines Angebot für den Kunden wissen, ob er diesem USt zusätzlich in Rechnung stellen muss oder nicht? 

Ob das BMF wirklich über das Problem und die praktische Umsetzbarkeit nachgedacht hat, muss in Anbetracht des Beispiels in Abschn. 19.7 Abs. 1 UStAE bezweifelt werden. Das Beispiel im chronologischen Verlauf:

Datum/ZeitangabeEreignisFolge/Würdigung
2024Gesamtumsatz 20.000 EURKein Überschreiten der Vorjahresgrenze von 25.000 EUR
01.01.-31.05.2025vereinnahmter Gesamtumsatz = 80.000 EURUmsätze sind steuerfrei, da die Grenze von 100.000 EUR nicht überschritten wurde
01.06.2025Ausführung Umsatz 1 (Entgelt: 5.000 EUR)keine Vereinnahmung, Grenze von 100.000 EUR nicht überschritten; Umsatz grundsätzlich steuerfrei
30.06.2025Ausführung Umsatz 2 (25.000 EUR)keine Vereinnahmung, Grenze von 100.000 EUR nicht überschritten; Umsatz grundsätzlich steuerfrei
15.07.2025Vereinnahmung Entgelt für Umsatz 2 (25.000 EUR)Grenze von 100.000 EUR wird überschritten (105.000 EUR), Umsatz insgesamt steuerpflichtig
01.09.2025Vereinnahmung Entgelt für Umsatz 1 (5.000 EUR)Grenze von 100.000 EUR ist bereits vor Vereinnahmung überschritten, daher soll Umsatz jetzt steuerpflichtig sein

Das BMF geht in diesem Beispiel bedauernswerterweise nicht darauf ein, ob der leistende Unternehmer der Besteuerung nach vereinbarten oder vereinnahmten Entgelten unterliegt. Da die vereinnahmten Entgelte nur auf Antrag und auf Genehmigung durch das Finanzamt hin Anwendung finden, ist diese Besteuerungsart beim Kleinunternehmer nicht der Regelfall.

Unterliegt der Leistende im Beispiel der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten, bedeutet dies, dass sowohl Umsatz 1 als auch Umsatz 2 im Zeitpunkt der Ausführung sowie auch bei Ablauf des maßgeblichen Voranmeldungszeitraums (VAZ) zunächst steuerfrei sind.

Angaben zum VAZ enthält das Beispiel ebenfalls nicht. Daher könnte der VAZ entweder der Kalendermonat oder aber das Kalendervierteljahr sein, in jedem Fall für der VAZ der Leistungsausführung mit Ablauf des 30.06.2025 enden!

Bei einem steuerpflichtigen Umsatz entsteht die USt gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a UStG m.A.d. VAZ der Ausführung, d.h. in diesem Fall m.A.d. 30.06.2025, was sowohl für Umsatz 1 als auch für Umsatz 2 gelten müsste, die nach Auffassung des BMF beide steuerpflichtig sein sollen.

Da die Umsatzgrenze aber erst nach dem 30.06.2025 überschritten wird, nämlich mit  Vereinnahmung der 25.000 EUR, stellt dieses Überschreiten ein rückwirkendes Ereignis dar, da der am 01.06.2025 ausgeführte Umsatz 1 und der am 30.06.2025 ausgeführte Umsatz 2 nun im Nachgang steuerpflichtig werden sollen.

Der Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts für den Umsatz 2 wirkt sich damit auch auf die Frage der Steuerfreiheit des Umsatzes 1 aus, was reichlich paradox erscheint. Dies wird umso deutlicher, wenn man das Beispiel leicht abwandelt und annimmt, dass das Entgelt für den Umsatz 2 in 2025 gar nicht vereinnahmt wird (und auch keine weiteren Entgelte). Dann wäre die Umsatzgrenze in 2025 nicht überschritten und Umsatz 1 bliebe endgültig steuerfrei.

Fazit:

Das BMF denkt die Regelung nicht zu Ende. Fragen der praktischen Umsetzbarkeit werden nicht bedacht. Die Behandlung erfolgt rein retrospektiv, getreu dem Motto „hinterher schon vorher gewusst“. Das funktioniert für eine Betriebsprüfung gut, gibt dem Unternehmer aber keine sichere Kalkulationsgrundlage für seine Erträge.

Der Leistende muss im Beispiel schon beim Umsatz 1 „fürchten“, dass dieser steuerpflichtig werden könnte. Um seine Marge nicht zu gefährden, müsste dem Unternehmer geraten werden, von vornherein eine geschuldete USt einzukalkulieren und dem Kunden 5.000 EUR zzgl. 950 EUR USt zu berechnen.

Ist der Kunde eine Privatperson, wird dieser über die damit einhergehenden Mehrkosten von 950 EUR nicht erfreut sein! Der Leistende schuldet in diesem Fall die Steuer zwar nicht nach § 14c Abs. 1 UStG (bei Rechnung an einen Endverbraucher nicht anwendbar, Abschn. 14c.1 Abs. 1a UStAE), führt sie aber zunächst an das FA ab. Zwar ist eine Anmeldung der Steuer (innerhalb der Korrekturmöglichkeiten der AO) zu ändern, wenn die Steuerbefreiung endgültig feststeht (keine Berichtigung nach § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG, da es nie ein „unrichtiger Steuerausweis“ war, sondern einfach eine „falsche Anmeldung“), das Verfahren ist kompliziert und der Kunde wurde im Zweifel verprellt.

Ist der Kunde hingegen ein Unternehmer, ist die gesondert ausgewiesene Steuer nur dann als Vorsteuer abziehbar, wenn der Umsatz (am Ende) wirklich steuerpflichtig ist. Bliebe es (wegen Unterschreiten der Grenze) bei der Steuerfreiheit, wäre der unternehmerische Kunde nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, weil die Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldet würde.

Fazit:

Die Neuregelung ist insoweit extrem unglücklich umgesetzt worden, für den Unternehmer ist es kaum möglich, die endgültigen steuerlichen Folgen im gesamten Prozess von der Erstellung eines Leistungsangebots für den Kunden bis zur Abrechnung der Leistungen richtig darzustellen. Ob die Beurteilung durch das BMF richtig ist oder nicht, braucht an dieser Stelle nicht bewertet zu werden, sie ist auf jeden Fall nicht praktikabel. Im Idealfall motiviert sie die Unternehmer, entweder nur gegen Vorkasse zu arbeiten oder von vornherein auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung zu verzichten. Beides sind keine optimalen Lösungen.

Vorsteuerabzug bei Umlaufvermögen

Bezieht der Unternehmer Leistungen, während er (noch) Kleinunternehmer gem. § 19 Abs. 1 UStG ist, ist ihm der Vorsteuerabzug auch im neuen Recht verwehrt.

Die Begründung hat sich jedoch verschoben: Während bis zum 31.12.2024 der Kleinunternehmer den § 15 UStG kategorisch nicht anwenden durfte (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 4 UStG a.F.), ist jetzt § 15 UStG dem Grunde nach anwendbar, der Vorsteuerabzug scheitert aber ab Vorsteuerausschluss gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG aufgrund der steuerfreien Kleinunternehmerumsätze.

Im alten Recht war der Wechsel von der Kleinunternehmerregelung zur Regelbesteuerung (und umgekehrt) nach § 15a Abs. 7 UStG eine Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 15a Abs. 1-3 UStG. Diese Regelung in § 15a Abs. 7 UStG hat der Gesetzgeber gestrichen, womit sich die Änderung der Verhältnisse nur aufgrund der veränderten Verwendung ergibt: Bei einer ursprünglich geplanten Verwendung für steuerfreie Umsätze, auf die eine tatsächliche Verwendung für steuerpflichtige Umsätze folgt, liegt eine Änderung der Verhältnisse vor, die grundsätzlich „nachträglich“ zu Vorsteuerabzug berechtigen würde.

  • Wenn da nicht § 44 Abs. 1 UStDV wäre, der die Berichtigung untersagt, wenn die auf das einzelne Wirtschaftsgut entfallende Vorsteuerbetrag 1.000 EUR nicht überschreitet!
  • Insbesondere bei Umlaufvermögen wird diese Schwelle aber häufig nicht überschritten, damit der nachträgliche Vorsteuerabzug über § 15a UStG scheitern, obwohl die Ausgangsumsätze steuerpflichtig sind!

Kann man den ursprünglichen Vorsteuerabzug über eine „steuerpflichtige Verwendungsabsicht“ retten?

Wenn der Unternehmer im Zeitpunkt des Leistungsbezugs noch Kleinunternehmer ist, aber geltend macht, die eigene Leistung erst nach Überschreiten der Umsatzgrenze (z.B. der 100.000 EUR-Grenze im laufenden Jahr) und damit steuerpflichtig auszuführen beabsichtigt, müsste die Absicht der steuerpflichtigen Verwendung bereits dem ursprünglichen Vorsteuerabzug zugrunde gelegt werden!

Das könnte bedeuten, dass der Unternehmer bereits für den Voranmeldungszeitraum des Leistungsbezugs eine Voranmeldung abgeben sollte, um den Vorsteuerabzug geltend zu machen. Was das FA irritieren sollte, da der Kleinunternehmer gem. § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG grundsätzlich zur Abgabe von USt-Voranmeldungen nicht verpflichtet ist.

Außerdem ist fraglich, wie die Verwendungsabsicht in diesem Fall nachgewiesen werden kann. Grundsätzlich muss die Absicht objektiv möglich sein und subjektiv im guten Glauben erklärt werden. Der Unternehmer muss also im guten Glauben erklären, dass er den Ausgangsumsatz erst nach dem Überschreiten der Umsatzschwelle im laufenden Jahr ausführen will (oder erst im Folgejahr, wenn dann der Vorjahreswert überschritten sein wird).

  • Das BMF-Schreiben vom 18.03.2025 enthält zu dieser Problematik keine Ausführungen!

Um die Problematik der 1.000 EUR-Vorsteuer-Schwelle des § 44 Abs. 1 UStDV zu umgehen, sind nun entsprechende Argumentationslinien erforderlich!

Im alten Recht war diese Sichtweise gar nicht möglich, weil die Verwendungsabsicht keine Rolle gespielt hatte, da der Vorsteuerabzug gem. § 19 Abs. 1 Satz 4 UStG a.F. überhaupt nicht anwendbar war und die einzige Möglichkeit für den Vorsteuerabzug in einer späteren Berichtigung über § 15a Abs. 7 UStG a.F. bestanden hatte.

Achtung:

Bei ausschließlichen Leistungen an vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer sollte der Kleinunternehmer natürlich nach wie vor von vornherein auf die Kleinunternehmerregelung verzichten (§ 19 Abs. 3 UStG).

Welche Aussagen trifft das BMF-Schreiben in diesem Bereich?

Lediglich in Abschn. 15a.5 Abs. 2 UStAE wird ein weiteres Beispiel (Beispiel 3) eingefügt. Dies betrifft aber den selten vorkommenden und wenig problematischen Fall, dass der Unternehmer in einem Jahr 01 Waren einkauft, in dem er nur steuerfreie Umsätze nach § 19 UStG ausführt, und damit keinen Vorsteuerabzug erhält. Veräußert wird die Ware erst zwei Jahre später in 03, steuerfrei gem. § 19 Abs. 1 UStG.

Im „Zwischenjahr“ 02 hatte der Unternehmer wegen Grenzüberschreitung steuerpflichtige Umsätze im Rahmen der Regelbesteuerung ausgeführt, was aber mangels Verwendung der Waren in diesem Jahr nicht zu einer Änderung der Verhältnisse gem. § 15a UStG geführt hat. Diese Klarstellung ist zwar ganz nett, aber wenig überraschend.

Vorsteuerabzug bei Verwendung im Ausland

Besonders kritisch sind die Aussagen des BMF-Schreibens vom 18.03.2025 für die Fälle zu werten, in denen der Unternehmer im Inland steuerfreie Umsätze als Kleinunternehmer gem. § 19 Abs. 1 UStG ausführt, im Ausland aber mit steuerpflichtigen Umsätzen am (dortigen) Besteuerungsverfahren teilnimmt.

Der neue UStAE erhält dazu an drei Stellen die nachfolgenden Aussagen:

Abschn. 15.2 Abs. 3 Nr. 3 Satz 2 sowie Abschn. 15.13 Abs. 6 Satz 2 UStAE (inhaltsgleich)

„Auch Vorsteuern eines inländischen Kleinunternehmers im Zusammenhang mit Umsätzen im Ausland sind nicht abzugsfähig (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG, siehe auch Abschnitt 15.14 Abs. 1), auch soweit sie dort steuerbar und steuerpflichtig sind.“

Abschn. 15.14 Abs. 1 Satz 3 UStAE

„Daher ist auch für Kleinunternehmer im Sinne des § 19 Abs. 1 und 4 UStG der Vorsteuerabzug aus inländischen Leistungsbezügen für im Ausland ausgeführte Umsätze stets ausgeschlossen, auch soweit sie dort steuerbar und steuerpflichtig sind.“

Die praktische Auswirkung zeigt das nachfolgende Beispiel:

UD führt in 2025 in Deutschland während des gesamten Besteuerungszeitraums nur steuerfreie Umsätze gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG aus (Vorjahresgrenze von 25.000 EUR nicht überschritten, Grenze des laufenden Jahres 2025 von 100.000 EUR wird nicht überschritten).

Neben den in Deutschland steuerbaren Umsätzen führt er steuerbare und steuerpflichte Werklieferungen (Reparaturarbeiten) in den Niederlanden aus. Er nimmt in den Niederlanden als regelbesteuernder Unternehmer am Besteuerungsverfahren teil und gibt dort USt-Voranmeldungen und -Jahreserklärungen ab.

Am 01.07.2025 kauft er in Deutschland Material im Wert von 5.000 EUR zzgl. 950 EUR USt, das er für eine in den Niederlanden steuerpflichtige Leistung verwendet, die er dort ordnungsgemäß versteuert.

Lösung nach BMF-Schreiben:

Im Inland ist die Vorsteuer von 950 EUR zwar gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG zwar abziehbar, aber gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG vom Abzug ausgeschlossen.

Die Auffassung des BMF kann systematisch betrachtet nicht zutreffend sein! Das Gebot der Neutralität der USt führt dazu, dass die Vorsteuer abzusetzen ist, wenn ein Zusammenhang zwischen dem Eingangsumsatz und den besteuerten Ausgangsumsätzen des Unternehmers besteht. Hier ist unstreitig ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Einkauf des Materials und dem in den Niederlanden besteuerten Ausgangsumsatz gegeben. Hätte UD das Material in den Niederlanden gekauft, wäre er dort zum Abzug der (niederländischen) Vorsteuer berechtigt gewesen. Es ist systematisch nicht nachvollziehbar, warum der Ort des Leistungsbezugs einen Unterschied hinsichtlich des Vorsteuerabzugs machen sollte.

Das BMF stützt seine Auffassung auf § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG, der folgenden Wortlaut hat:

„Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen, […] sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung folgender Umsätze verwendet:

Nr. 2 Umsätze im Ausland, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden;“.

Das BMF wendet die Vorschrift offenbar wörtlich an, indem es den Leistungsort gedanklich ins Inland verlagert und dann zu dem Ergebnis kommt, der Umsatz wäre nun nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG steuerfrei. Dieses Vorgehen funktioniert z.B. bei einer Steuerbefreiung wie § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchstabe a UStG (Grundstücksvermietung), da es sich um eine rein objektive Befreiungsvorschrift handelt, die nicht von länderspezifischen Umsatzkriterien abhängig ist. Für den vorliegenden Fall funktioniert dieses einfache System aber nicht, da es offensichtlich zu unsystematischen Ergebnissen führt. Für die Anwendung müsste nicht nur angenommen werden, dass der Ort (des Ausgangsumsatzes) ins Inland verlagert wird, sondern auch das „Besteuerungsmerkmal“ aus den Niederlanden „Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung“. Das hingegen außer acht zu lassen, wir dem realen Ergebnis nicht gerecht.

Interessant ist das auch vor dem Hintergrund, dass gem. Abschn. 19a.2 Satz 1 UStAE der Unternehmer bei der Teilnahme am besonderen Meldeverfahren gem. § 19a UStG (zur Anwendung der Kleinunternehmerregelung im übrigen Gemeinschaftsgebiet) „freiwillig auf die Anwendung der Steuerbefreiung für Kleinunternehmer in einem oder mehreren Mitgliedstaaten verzichten“ kann. Das BMF sieht also durchaus die Möglichkeit vor, dass der Unternehmer manchen Mitgliedstaaten die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer anwendet, in anderen Mitgliedstaaten hingegen nicht.

Fazit:

Das BMF verschließt sich einem Systemwechsel und hält an alten Gewohnheiten zum Vorsteuerausschluss fest. In diesem Fall an der kategorischen Nichtanwendung des § 15 UStG für den Kleinunternehmer, denn darauf läuft die Interpretation des BMF hinaus. Bei inländischen Umsätzen scheitert der Vorsteuerabzug an der tatsächlichen Steuerfreiheit. Bei Umsätzen im Ausland, insbesondere im übrigen Gemeinschaftsgebiet, am Unwillen des BMF.

Es spricht auch gegen das BMF, dass für den umgekehrten Fall der Steuerbefreiung der Umsätze im übrigen Gemeinschaftsgebiet in § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UStG eine explizite Regelung aufgenommen wurde:

„Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen, […] sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung folgender Umsätze verwendet:

Nr. 3 Umsätze im übrigen Gemeinschaftsgebiet, die auf Grund der Sonderregelung für Kleinunternehmer des jeweiligen Mitgliedstaates steuerfrei sind.“

Hieraus könnte man auch im Umkehrschluss ableiten, dass bei Steuerpflicht im jeweiligen Mitgliedstaat der Vorsteuerabzug gerade nicht ausgeschlossen ist! Die Regelung greift für den Fall, dass der Unternehmer im Inland nicht unter die Steuerbefreiung gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG fällt, also im Inland steuerpflichtige Umsätze erzielt. Hier wird eine Koppelung an die tatsächliche Behandlung der Umsätze im jeweiligen Mitgliedstaat herbeigeführt, was zu einem systematisch einleuchtenden Ergebnis führt.

Dies ist mindestens bei der Auslegung des § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG zu berücksichtigen. In Anbetracht der Kreativität der Gericht bei der verfassungs- oder unionsrechtskonformen Auslegung der Gesetze kann allein der Wortlaut der Vorschrift nicht ausreichen, um die vom BMF vertretene Auffassung zu stützen. In entsprechenden Fällen sollte geklagt werden, um eine Überprüfung der Auffassung der Finanzverwaltung herbeizuführen.

Kritik zum gesamten BMF-Schreiben vom 18.03.2025

Das Schreiben hat ein klar restriktive, profiskalische Handschrift. Das BMF hat offenbar keinerlei Interessen am Abbau bürokratischer Hindernisse oder eine unternehmerfreundlichen Ausgestaltung von Rahmenbedingungen. Stattdessen werden die gesetzgeberischen Unzulänglichkeiten noch weiter verstärkt. Damit hält das Ministerium an einer über Jahrzehnte gepflegten Tradition fest, der Wirtschaft möglichst dicke Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Mit dem allseits geforderten und von der Politik versprochenen Bürokratieabbau hat das leider überhaupt nichts zu tun. Stattdessen zwingt das Ministerium die Unternehmer in langjährige und kostspielige Gerichtsverfahren. Zukunftsfähigkeit sieht anders aus.

Fundstelle: BMF-Schreiben seit dem 18.03.2025

Autor: Thore Guse

Foto: Claudio Schwarz via Unsplash