Der BFH hat entschieden, dass eine Rückstellung für die Aufwendungen zur Wartung, Instandhaltung und Aufbewahrung von Werkzeugen zu bilden ist, wenn ein Zulieferbetrieb dem jeweiligen Auftraggeber zu übereignende Werkzeuge für die Produktion von Teilen herstellt und seine Verpflichtungen ausschließlich durch einen abgeschlossenen Werkzeugvertrag und nicht durch die späteren Aufträge zur Produktion der Teile abgegolten ist.
Wenn die Aufwendungen nicht als eigene Produktionskosten für die Erstellung der Teile anfallen, sondern zur Erfüllung von vertraglichen Pflichten aus dem Werkzeugvertrag, steht § 5 Abs. 4b Satz 1 EStG einer Rückstellung für diese Aufwendungen nicht entgegen.
Sachverhalt
Die Beliefer-GmbH (B-GmbH) entwickelt als Zulieferbetrieb für die Autoindustrie Fahrzeugteile und stellt sie her. Daneben fertigt sie auch die für die Produktion erforderlichen kundenspezifischen Spezialwerkzeuge und Vorrichtungen (Werkzeuge), ändert sie und hält sie instand. Die B-GmbH schloss mit ihren Auftraggebern zum einen jeweils einen Rahmenlieferungsvertrag zur Beschaffung von Fahrzeugteilen und zum anderen sog. Werkzeugverträge ab. Diese Werkzeugverträge sehen u.a. vor, dass das Eigentum an den von der B-GmbH im Auftrag des jeweiligen Vertragspartners gefertigten Werkzeugen nach Fertigstellung und mit Bezahlung durch den Auftraggeber auf diesen übergeht. Die Werkzeuge sind dauerhaft derart zu kennzeichnen, dass sie als Eigentum des Auftraggebers erkannt werden können, verbleiben bei der B-GmbH und dürfen von ihr zur Ausführung von Bestellungen des jeweiligen Auftraggebers benutzt werden. Für sämtliche o.g. Leistungen wird kein gesondertes Entgelt gezahlt.
Die tatsächliche Produktion der Fahrzeugteile hat keinen Einfluss auf den für die Werkzeuge zu zahlenden Preis: Insbesondere führt die später tatsächlich produzierte Menge nicht zu einer Änderung des Kaufpreises für die Werkzeuge. Umgekehrt werden die entrichteten Kaufpreise für die Werkzeuge nicht auf den Preis der produzierten Teile angerechnet.
Die B-GmbH bildete aufgrund der o. g. vertraglichen Pflichten eine Rückstellung für Werkzeugkosten.
Zu Recht?
Ergebnis lt. BFH-Urteil vom 02. Juli 2021, XI R 21/19
Das Bilden einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten setzt nach ständiger Rechtsprechung des BFH voraus, dass eine betriebliche Verbindlichkeit dem Grund und / oder der Höhe nach besteht, die Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen wahrscheinlich ist und, sofern es sich um eine künftige Verbindlichkeit handelt, dass die Verbindlichkeit wirtschaftlich im abgelaufenen oder in dem (den) vorangegangenen Wirtschaftsjahr(en) verursacht ist. Zudem darf es sich bei den Aufwendungen nicht um (nachträgliche) HK- oder AK eines Wirtschaftsgutes handeln. In zeitlicher Hinsicht muss die Verbindlichkeit in der Vergangenheit wirtschaftlich verursacht sein; es muss bereits bis zum Bilanzstichtag eine wirtschaftliche Belastung eingetreten sein.
Zutreffend hat das FG eine rechtliche Verpflichtung der B-GmbH zur Wartung, Instandhaltung und Reparatur der Werkzeuge bejaht. Sie ergibt sich aus den abgeschlossenen Werkzeugverträgen.
Die Aufwendungen für die Versicherung der Werkzeuge und für die Lagerkosten für die vertraglich festgelegte Zeit sowie für Wartungs- und Pflegearbeiten und für die erfahrungsgemäß stets anfallenden und zu erwartenden verschleißbedingten Ausbesserungs-, Nachbesserungs- und Reparaturarbeiten sind vor dem Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht. Dies beruht dabei im Wesentlichen auf seiner Auslegung der Werkzeugverträge, wenn es diese Verpflichtung als Nebenpflicht mit dem Abschluss der Verträge über die Veräußerung der Werkzeuge als begründet und mit dem Verkaufserlös als abgegolten ansieht.
Die Passivierung der Aufwendungen zur Nachbetreuung der Werkzeuge ist auch nicht nach § 5 Abs. 4b Satz 1 EStG ausgeschlossen.
Nach § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB sind HK Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen.
Da die Nachbetreuungsaufwendungen bei der Kalkulation keine Auswirkung auf das Entgelt für die Produktion der Fahrzeugteile hatten, handelt es sich nicht um HK der Teile. Vielmehr musste die B-GmbH die aus der Wartungsverpflichtung folgenden und erfahrungsgemäß bei üblichem Verlauf zu erwartenden Aufwendungen in die Kalkulation des Entgelts für die Leistungen aufgrund des Werkzeugvertrags einbeziehen. Eine „weitere“ Berücksichtigung als HK der Fahrzeugteile kam mithin nicht in Betracht.
Autor: Tino Srebne