Zur Rückstellungsbildung für Verpflichtungen aus einem Kundenkartenprogramm
- Verpflichtet sich ein Handelsunternehmen gegenüber den an seinem Kundenkartenprogramm teilnehmenden Kunden, diesen im Rahmen eines Warenkaufs in Abhängigkeit von der Höhe des Warenkaufpreises Bonuspunkte bzw. Gutscheine zu gewähren, die der Karteninhaber innerhalb des Gültigkeitszeitraums bei einem weiteren Warenkauf als Zahlungsmittel einsetzen kann, ist für die am Bilanzstichtag noch nicht eingelösten Bonuspunkte bzw. Gutscheine eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden, wenn wahrscheinlich ist, dass die Verbindlichkeit entsteht und dass das Unternehmen in Anspruch genommen werden wird.
- Eine entsprechende Anrechnungsverpflichtung stellt keine Verpflichtung i. S. d. § 5 Abs. 2a EStG dar.
Sachverhalt
Die Bonuscard-GmbH & Co. KG (GmbH & Co. KG) betreibt ein Handelsunternehmen. In ihrer Bilanz zum 31.12.2010 hatte sie eine Rückstellung für Bonuspunkte und Gutscheine passiviert, die sie Inhabern der A-Card gewährt hatte.
Die GmbH & Co. KG, deren Tochterunternehmen und die A-Partnerunternehmen gaben gemeinsam die A-Card heraus. Die Inhaber der A-Card erhielten beim Einkauf in den teilnehmenden A-Stores bzw. beim Einkauf im A-Onlineshop Bonuspunkte auf den jeweiligen Wert ihres Einkaufs i. H. v. 3 %.
Die auf dem Bonuspunktekonto gutgeschriebenen Punkte konnten im A-Onlineshop eingelöst werden.
Das Finanzamt war der Auffassung, dass die Einlösungsverpflichtung aus dem Bonuspunktesystem bei der GmbH & Co. KG zum Bilanzstichtag weder eine zu passivierende Verbindlichkeit begründe noch eine ungewisse Verbindlichkeit, die in Form einer Rückstellung gewinnmindernd Berücksichtigung finden könne.
Zu Recht?
Lösung des BFH
Die Passivierung von Verbindlichkeiten aus der Verpflichtung gegenüber den Inhabern der A-Card zur Einlösung der gewährten Bonuspunkte bzw. ausgestellten Gutscheine in der Bilanz zum 31.12.2010 scheidet aus. Der Tatbestand, an den die Leistungspflicht der GmbH & Co. KG geknüpft ist, ist zum Bilanzstichtag noch nicht verwirklicht, das Entstehen der Verbindlichkeit daher dem Grunde nach noch ungewiss.
Die GmbH & Co. KG musste jedoch in ihrer Bilanz zum 31.12.2010 für die am Bilanzstichtag noch nicht eingelösten Bonuspunkte / Gutscheine eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten bilden.
Zwar war die Bildung einer Rückstellung wegen einer rechtlich bereits entstandenen, allein der Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit ausgeschlossen, weil die Verbindlichkeit dem Grunde nach noch ungewiss war. Die GmbH & Co. KG hatte allerdings eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden, da ihre Anrechnungsverpflichtung ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag hat. Auch war es wahrscheinlich, dass die Verbindlichkeit der GmbH & Co. KG entstehen und die GmbH & Co. KG in Anspruch genommen werden würde.
Bei wirtschaftlicher Betrachtung kommt es auch im Streitfall zu einer Rabattierung des ersten Warenkaufs, denn der Karteninhaber erhält für den seinerzeit gezahlten Kaufpreis nicht nur die Waren, sondern zusätzlich – in Abhängigkeit vom Kaufpreis jener Waren – Bonuspunkte/Gutscheine, die er bei einem weiteren Einkauf als Zahlungsmittel einsetzen kann. Bei diesem weiteren Warenkauf bleibt der Kaufpreis der Ware unverändert; allerdings kann der Karteninhaber den gesamten Kaufpreis oder einen Teil des Kaufpreises mit seinen Bonuspunkten / Gutscheinen, zu deren Anrechnung die GmbH & Co. KG sich verpflichtet hat, begleichen. Damit ergibt sich für die GmbH & Co. KG bereits mit der Bonuspunktegewährung anlässlich des ersten Warenkaufs eine wirtschaftliche Belastung, denn sie ist jedenfalls faktisch zum Abschluss eines weiteren Kaufvertrags mit dem Karteninhaber und rechtlich zur Einlösung der Bonuspunkte und Gutscheine verpflichtet.
Zum Bilanzstichtag war die Entstehung der Verpflichtung der GmbH & Co. KG zur Anrechnung der an die Karteninhaber ausgegebenen Bonuspunkte und Gutscheine wahrscheinlich. Auch musste die GmbH & Co. KG ernsthaft mit einer Inanspruchnahme rechnen.
Das Entstehen einer ungewissen Verbindlichkeit ist wahrscheinlich, wenn nach den am Bilanzstichtag objektiv gegebenen und bis zur Aufstellung der Bilanz subjektiv erkennbaren Verhältnissen mehr Gründe dafür als dagegen sprechen.
Danach war zum Bilanzstichtag die Entstehung der Verpflichtung zur Anrechnung der an die teilnehmenden Karteninhaber ausgegebenen Bonuspunkte und Gutscheine hinreichend wahrscheinlich. Die GmbH & Co. KG hatte die Bonuspunkte im Rahmen von vor dem Bilanzstichtag getätigten Warenkäufen gutgeschrieben; sie war auch – bei einem weiteren Warenkauf durch den Kunden – zu deren Einlösung verpflichtet, ohne dass hierfür weitere Bedingungen wie z. B. das Erreichen eines Mindestumsatzes zu erfüllen wären. Hinreichend wahrscheinlich war auch, dass die Kunden im Rahmen des weiteren Warenkaufs tatsächlich eine Verrechnung ihres Guthabens verlangen würden. Die Erfahrungswerte für die Jahre 2006 bis 2009 zum Verfall von Bonuspunkten und Gutscheinen bestätigen eine hinreichende Wahrscheinlichkeit. Nach diesen ergab sich im stationären Handel eine Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme von 60 %, im Onlineshop sogar eine Wahrscheinlichkeit von über 80 %.
§ 5 Abs. 2a EStG sieht vor, dass für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, Verbindlichkeiten oder Rückstellungen erst anzusetzen sind, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind. Das Passivierungsverbot setzt demnach voraus, dass sich der Anspruch des Gläubigers verabredungsgemäß nur auf künftiges Vermögen des Schuldners (damit nicht auf am Bilanzstichtag vorhandenes Vermögen) bezieht.
Belastet die zu erfüllende Verpflichtung verabredungsgemäß bereits das am Bilanzstichtag vorhandene Vermögen des Schuldners, findet das Passivierungsverbot keine Anwendung. Es fehlt an einer Verpflichtung i. S. d. § 5 Abs. 2a EStG.
Vgl. BFH-Urteil vom 29.09.2022, IV R 20/19
Autor: Tino Srebne