Steuerliche Anerkennung einer Treuhand
Bei einer anzuerkennenden Treuhand wird das sog. Treugut dem Treugeber zugerechnet (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO). Der Treuhänder wird bei einer Treuhand zivilrechtlicher Eigentümer der Wirtschaftsgüter, die er treuhänderisch verwalten soll. Das wirtschaftliche Eigentum wird steuerrechtlich jedoch – im Falle einer wirksamen Treuhand – dem Treugeber zugerechnet, wenn der Treuhänder eindeutig erkennbar in fremdem Interesse tätig wird (vgl. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO). Streitig war in einer aktuellen BFH-Entscheidung, ob dies auch gilt, wenn der „Sicherungsfall“ bereits eingetreten ist (BFH 04.05.2022 I R 19/18).
In dem Sachverhalt, der einer aktuellen BFH-Entscheidung zugrunde liegt, war der Kläger ein eingetragener Verein. Dieser hatte gem. § 2 Nr. 1 seiner Satzung den Zweck, „das ihm zu treuen Händen übertragene Treuhandvermögen der … AG und deutscher … Konzerngesellschaften … zu halten und zu verwalten“. Das Treuhandvermögen wird in der Satzung als der Teil des Vermögens der Unternehmen definiert, der jeweils zur Sicherung der Pensionsverpflichtungen der Unternehmen gegenüber ihren versorgungsberechtigten Personen dient und dem Verein zu diesem Zweck übertragen wurde, sowie alle Surrogate dieses Vermögens. Das FA setzte die Körperschaftsteuer für die Streitjahre fest. Dabei nahm es jeweils eine Hinzurechnung gem. § 8b Abs. 5 KStG vor.
Der BFH sah die Revision als begründet an und hob das FG-Urteil sowie die angefochtenen Körperschaftsteuerbescheide auf. Der Ansatz der Dividenden als (Betriebs-) Einnahmen setze voraus, dass jene Einnahmen dem Kläger steuerrechtlich zuzurechnen seien. Die persönliche Zurechnung von Dividenden richte sich für die Streitjahre nach § 20 Abs. 5 EStG i. V. mit § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG. Abweichend vom zivilrechtlichen Eigentum bestimme § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO, dass bei Treuhandverhältnissen die Wirtschaftsgüter dem Treugeber zuzurechnen seien. Dies setze im konkreten Einzelfall ein steuerrechtlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis voraus. Dies bejahte der BFH in Bezug auf die in Rede stehenden Aktien in den Streitjahren, auch nach Eintritt des Sicherungsfalles (Insolvenz des Treugebers). Eine Zurechnung von Einkünften scheide aus, wenn die bezogenen Erträge – wie hier – weitergeleitet werden müssen, ohne dass rechtlich in irgendeiner Weise auf die Verwaltung des Vermögens Einfluss genommen werden kann (BFH, Urteil v. 26.11.1997 – X R 114/94).
Erläuterungen
Gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 Alt. 1 AO sind bei Treuhandverhältnissen die Wirtschaftsgüter dem Treugeber zuzurechnen. Die Zurechnung an den Treugeber gilt allerdings nur, wenn das jeweilige Steuergesetz nicht auf die zivilrechtliche Rechtsinhaberschaft abstellt oder aus anderen Gründen die Treuhandschaft abweichend von § 39 Abs. 2 AO behandelt. Ertragsteuerlich kommt es daher auf § 39 Abs. 2 AO an. Letztlich kann nach der Besprechungsentscheidung auch bei der sog. doppelten Treuhand nach Eintritt des Sicherungsfalles ein steuerrechtlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis i. S. d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO vorliegen, soweit das wirtschaftliche Eigentum nicht dem Treuhänder, sondern dem Treugeber zuzurechnen ist.
Autor: Prof. Alexander Kratzsch