Straferwerb gem. § 3d Satz 2 UStG – Eine neue Hoffnung

Wenn der Erwerber einer innergemeinschaftlichen Lieferung eine USt-IdNr. verwendet, die von einem anderen Mitgliedstaat (MGS) als dem Bestimmungs-MGS (dort, wo der Warentransport endet) erteilt wurde, verwirklicht er einen zweiten innergemeinschaftlichen Erwerb im MGS, der die verwendete USt-IdNr. erteilt hat – so zumindest der Wortlaut des § 3d Satz 2 UStG.

Nach einem EuGH-Urteil vom 07.07.2022 (C-696/20, Vorabentscheidungsersuchen aus MGS Polen) ist das entgegen dem Wortlaut von Art. 41 MwStSystRL (entspricht § 3d Satz 2 UStG) aber dann aus systematischen Gründen (Verhältnismäßigkeit, steuerliche Neutralität) nicht der Fall, wenn die zugrunde liegende Lieferung nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei ist.

Dem Urteil liegt eine Reihengeschäftskonstellation zugrunde, in der die erste von zwei Lieferungen die „bewegte“ Lieferung war. Der Warentransport erfolgte von Polen nach Italien, daher kam grundsätzlich eine Steuerbefreiung als innergemeinschaftliche Lieferung in Betracht. Da aber der Erwerber eine polnische USt-IdNr. verwendet hatte und damit (aus Sicht des Abgangs-MGS Polen) keine „ausländische“, wurde die Lieferung als steuerpflichtig behandelt. Zusätzlich sollte der Erwerber einen „Straferwerb“ (gem. Art. 41 MwStSystRL bzw. § 3d Satz 2 UStG analog) in Polen versteuern. Für diesen ist der Erwerber nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG).

Diese „Doppelbesteuerung“ durch

  • Behandlung der Lieferung als steuerpflichtig und
  • Erfassung eines innergemeinschaftlichen Erwerbs ohne Vorsteuerabzug

sieht der EuGH jetzt als unverhältnismäßig und dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität entgegenstehend an und lehnt die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs unter diesen Voraussetzungen ab!

Diese Beurteilung ist ein wahrer Segen, da der Erwerber somit nicht gezwungen ist, zunächst die Umsatzsteuer abzuführen und einen Nachweis der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Bestimmungsmitgliedstaat zu führen (der zu einem Wegfall des Erwerbs gem. § 3d Satz 2 UStG führen würde).

Freiwillig wird sich das Finanzamt sicher nicht anschließen, daher in entsprechenden Fällen geklagt werden.

Fundstelle: EuGH-Urteil vom 07.07.2022

Autor: Thore Guse