Tatsächliche Durchführung eines Gewinnabführungsvertrags

Verpflichtet sich eine Europäische Gesellschaft, Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland (Organgesellschaft) durch einen Gewinnabführungsvertrag i. S. d. § 291 Abs. 1 AktG, ihren ganzen Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen abzuführen, so ist das Einkommen der Organgesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen dem Träger des Unternehmens (Organträger) zuzurechnen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 KStG). Zu diesen Voraussetzungen gehört u. a., dass der Gewinnabführungsvertrag auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen ist und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt wird (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG).

Der BFH entschied nunmehr drüber, ob die fehlerhafte bilanzielle Umsetzung der Folgen einer Organschaft einer Anerkennung entgegenstehen (BFH-Urteil vom 02.11.2022, I R 37/19). In den Streitjahren erwirtschaftete die Organgesellschaft jeweils Gewinne, im Jahr 2013 jedoch einen Verlust. Die Bilanz zum 31.12.2013 wurde am 10.11.2014 erstellt; eine Forderung der Klägerin gegenüber der Organträgerin wurde in der Bilanz nicht berücksichtigt. Am 11.02.2015 zahlte die Organträgerin unter Angabe eines entsprechenden Überweisungszwecks den Verlustausgleich an die Klägerin.

Das FA vertrat die Auffassung, dass die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft mangels tatsächlicher Durchführung nicht anzuerkennen sei, da der Anspruch der Klägerin auf Ausgleich des im Jahr 2013 erwirtschafteten Verlusts weder bei der Klägerin noch bei der B-GmbH bilanziell berücksichtigt worden sei.

Der BFH bestätigte die Entscheidung des FA: Die tatsächliche Durchführung eines Ergebnisabführungsvertrags (EAV) setze voraus, dass er entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen vollzogen wird, also die Gewinne tatsächlich durch Zahlung oder Verrechnung an den Organträger abgeführt werden. Die reine Buchung der Forderung ohne Erfüllungswirkung sei dagegen nicht ausreichend. Die Voraussetzung der tatsächlichen Durchführung des EAV erfordere, dass dieser während der gesamten Geltungsdauer auch tatsächlich „gelebt“ werde. Schon vor dem Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung / Verrechnung müsse daher objektiv erkennbar sein, dass sowohl der Organträger als auch die Organgesellschaft ihre zivilrechtlichen Vertragspflichten aus dem EAV erfüllen werden. Daraus folge, dass die entsprechenden Forderungen/Verbindlichkeiten auch in den Jahresabschlüssen gebucht werden müssten.

Im Ergebnis folge die Nichtdurchführung des EAV also schon aus der fehlenden Buchung einer entsprechenden Forderung der Klägerin in ihrem Jahresabschluss zum 31.12.2013, so dass es auf den tatsächlichen Ausgleich des Jahresfehlbetrags 2013 in 2015 nicht (mehr) ankomme; die aus dem resultierenden Vertragspflichten seien nicht objektiv erkennbar anerkannt worden.

Die Erwähnung des Verlustausgleichsanspruch in einem Bericht des Steuerberaters über die Erstellung des Jahresabschlusses sowie einem Begleitschreiben an die Organträgerin reichen nicht aus, um den EAV „zu leben“ und die daraus resultierenden Vertragspflichten objektiv erkennbar anzuerkennen.

Fundstelle: BFH-Urteil vom 02.11.2022, I R 37/19

Autor: Prof. Dr. Alexander Kratzsch