Übertragung eines Mitunternehmeranteils gegen Nießbrauchsvorbehalt
Ob § 6 Abs. 3 EStG bei Übertragung eines Mitunternehmeranteils gegen Nießbrauchsvorbehalt Anwendung findet, ist nicht ganz zweifelsfrei. Es ist nämlich aufgrund der jüngeren BFH-Rechtsprechung unklar, ob auch der Nießbraucher neben dem Gesellschafter Mitunternehmer sein kann („Verdoppelung der Mitunternehmerstellung“). Der BFH geht davon aus, dass an einem Gesellschaftsanteil nur eine (einzige) Mitunternehmerstellung begründet werden könne (BFH-Urteil v. 19.7.2018, IV R 10/17): „Ausgehend von dem Grundsatz, dass an einem Gesellschaftsanteil nur eine einzige Mitunternehmerstellung begründet werden kann, ist der Erwerber eines Gesellschaftsanteils nur dann Inhaber der daran bestehenden Mitunternehmerstellung geworden, wenn Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko vollständig auf ihn übergegangen sind“.
Inwieweit diese Aussage des BFH auf die doppelte Mitunternehmerstellung des Nießbrauchers einerseits sowie des Kommanditisten andererseits Anwendung findet, ist derzeit offen. Insbesondere ist zu beachten, dass diese Entscheidung zur entgeltlichen Übertragung eines Anteils an einer Personengesellschaft ergangen ist und demnach meiner Meinung nach nicht die Frage berührt, ob mit Bezug auf ein und denselben Gesellschaftsanteil Gesellschafter und Nießbraucher als Mitunternehmer anzusehen sein können. Dies ist zu bejahen, wenn beide in hinzureichendem Umfang Mitunternehmerinitiative entfalten können und Mitunternehmerrisiko tragen.
Daher besteht bei einem Nießbrauch an dem Gesellschaftsanteil ein echtes Risiko, dass eine doppelte Mitunternehmerstellung nicht anerkannt wird. Auch das BMF Schreiben vom 20.11.2019 (Rz. 7) ist nicht eindeutig, da nur ausgeführt wird, dass der Gesellschafter Mitunternehmer wird, nicht aber, dass der Schenker auch Mitunternehmer sein kann. Daher sind ggf. alternative Gestaltungen in Betracht zu ziehen.
Autor: Prof. Alexander Kratzsch