Umsatzsteuerliche Organschaft mit Personengesellschaft als Organgesellschaft

Torlinientechnik schafft Rechtssicherheit! Ob der EuGH mit seiner neuesten Entscheidung zur umsatzsteuerlichen Organschaft tatsächlich Rechtssicherheit schafft, bleibt abzuwarten.

Aber so viel steht schon mal fest, der EuGH widerspricht mit seinem Urteil vom 15.04.2021, C-868/19 der Ansicht des V. Senats des BFH, wonach Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sein können, die finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sind.

Der o. g. Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

An einer GmbH & Co. KG waren die A-GmbH als Komplementärin und die D-GbR, die natürlichen Personen C, D und E sowie die M-GmbH als Kommanditisten beteiligt. Jeder Gesellschafter besaß nach dem Gesellschaftsvertrag je eine Stimme. Abweichend davon besaß die M-GmbH sechs der insgesamt elf Stimmen. Sämtliche Beschlüsse der GmbH & Co. KG wurden mit einfacher Mehrheit gefasst. Ab Dezember 2017 handelten die M-GmbH sowie die GmbH & Co. KG durch denselben Geschäftsführer. Es bestanden umfangreiche Leistungsbeziehungen zwischen den beiden Gesellschaften.

Streitig war, ob die Voraussetzungen für die finanzielle Eingliederung der M-GmbH ab Dezember 2017 vorlagen.

Nationale und unionsrechtliche Regelungen

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG liegt eine umsatzsteuerliche Organschaft dann vor, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist.

Nach Unionsrecht kann ein Mitgliedstaat rechtlich selbständige Personen zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln. Voraussetzung dafür ist, dass diese Personen durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind (Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL).

Einschränkung auf juristische Person als Organgesellschaft, § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG

Nach dem Wortlaut der Vorschrift kann Organgesellschaft nur eine juristische Person sein. Das sind nach deutschem Recht Körperschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit, wie z. B. die GmbH. Personengesellschaften gehören nach nationalem Verständnis nicht zu den juristischen Personen.

Der EuGH hatte hingegen bereits entschieden, dass auch Personengesellschaften zu den selbständigen Personen im Sinne des Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL gehören (EuGH-Urteil, „Larentia + Minerva“). Nach Unionsrecht können damit auch Personengesellschaften zum Organkreis gehören.

Der V. Senat des BFH griff dieses Urteil auf und modifizierte seine bisherige Rechtsprechung. Danach kommen nunmehr auch Personengesellschaften als Organgesellschaft in Betracht. Allerdings müssen diese Personengesellschaften ihrerseits nach § 2 Abs. 2 Nr.2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sein.

Der V. Senat des BFH begründete diese Einschränkung damit, dass das Vorliegen einer Organschaft eindeutig klar sein müsse. Bei Personengesellschaften gelte das Einstimmigkeitsprinzip bei Gesellschafterbeschlüssen. Abweichend davon kann das Mehrheitsprinzip vereinbart werden. Dadurch wäre die finanzielle Eingliederung grundsätzlich auch bei Personengesellschaften möglich.

Von dem Mehrheitsprinzip könne allerdings durch mündliche Vereinbarung abgewichen werden. Dieser Umstand würde ohne die o. g. zusätzlichen Voraussetzung zu Rechtsunsicherheit führen, da sich mündliche Abreden schwer nachweisen lassen. Die Finanzverwaltung hat sich der Ansicht des V. Senats angeschlossen (vgl. Abschn. 2.8 Abs. 2 Satz 5, Abs. 5a UStAE).

Der XI. Senat des BFH vertritt hingegen die Ansicht, dass ohne weitere Anforderungen zumindest eine GmbH & Co. KG als juristische Person anzusehen sei. Dies ergebe sich aus ihrer kapitalistischen Struktur.

Das FG Berlin-Brandenburg hatte Zweifel an der Auslegung des V. Senats des BFH und hat die Frage zur Klärung an den EuGH gerichtet.

EuGH Urteil: Keine Einschränkungen für Personengesellschaften

Der EuGH hat entschieden, dass für die finanzielle Eingliederung einer Personengesellschaft keine höheren Anforderungen zu stellen sind als bei einer juristischen Person.

Im vorliegenden Urteilsfall war für den EuGH entscheidend, dass die M-GmbH ihren Willen bei der GmbH & Co. KG durch die Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen konnte. Die Voraussetzungen für die finanzielle Eingliederung lagen damit vor.

Allein das fehlende Formerfordernis für die Änderung von Gesellschaftsverträgen und die daraus resultierenden Beweisschwierigkeiten rechtfertigen die deutsche Regelung nicht. Für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs bedürfe es einer Reihe objektiver Anhaltspunkte.

Was bedeutet dies nun für uns in der Praxis?

Zunächst einmal ändert dieses Urteil für uns nichts. Denn die Finanzverwaltung ist nach wie vor an den Umsatzsteueranwendungserlass (Abschnitt 2.8 Abs. 5a UStAE) gebunden. Allerdings ist die Regelung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ist im Lichte der EuGH Rechtsprechung auszulegen. Damit dürfte zumindest der Rechtsprechung des XI. Senats des BFH folgend die kapitalistisch strukturiere GmbH & Co. KG als Organgesellschaft anerkannt werden.

Fazit

Ohne eine Änderung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG sowie des Abschnitt 2.8 Abs. 5a UStAE bleibt die Eingliederung einer Personengesellschaft in den Organkreis eine unsichere Angelegenheit. Daher sollte im Rahmen der Gestaltung der Gesellschaftsstrukturen ein besonderes Augenmerk auf die Rechtsformwahl sowie die Ausgestaltung der Gesellschaftsverträge gelegt werden.

Autor: Julia Pietrzik